Brand im Lager Moria "Europäische Solidarität ist gefragt"
Parteiübergreifend haben EU-Politiker entsetzt auf den Brand im Flüchtlingslager Moria reagiert. Erste Finanzmittel sind zugesagt, doch der grundlegende Konflikt dauert an.
Erik Marquardt, Europaabgeordnete der Grünen, kennt das Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos sehr gut, seit 2015 war er immer wieder vor Ort. Er hat über unhaltbare Zustände berichtet, vor einer Katastrophe gewarnt und gefordert, dass sich dringend etwas ändern muss. Nach dem Großbrand wirft er den EU-Mitgliedstaaten Versagen vor. Er meint, dass sich die Debatte um die Migrationspolitik völlig von der Realität entkoppelt habe. Und weiter:
Man hat viel zu viele Leute gehabt, die versucht haben, aus den Herausforderungen und Problemen, die wir an den Außengrenzen beobachtet haben, politisch Kapital zu schlagen.
Versagt haben die Mitgliedstaaten auch aus Sicht der Europaabgeordneten Birgit Sippel von der SPD: "Es gab eine Zusage, 1600 unbegleitete Minderjährige umzusiedeln - noch nicht einmal das ist zeitnah gelungen. Geschweige denn von der Umsiedlung weiterer 12.000 Menschen aus dem Lager."
400 unbegleitete Kinder sollen aufs Festland gebracht werden
Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen reagierte. Sie sei tief traurig, schrieb sie auf Twitter. Und dass die EU und ihre Mitgliedstaaten bereit seien, zu helfen.
Zuvor hatte bereits Innenkommissarin Ylva Johansson erklärt, dass die Kommission den unverzüglichen Transfer und die Unterbringung der verbleibenden 400 unbegleiteten Kinder und Jugendlichen aufs Festland finanzieren will.
Die Europaabgeordnete Lena Düpont von der CDU sagt: "Da können sich gerne einzelne Mitgliedstaaten anschließen. Denn in der akuten Situation ist vollkommen klar, dass europäische Solidarität gefragt ist." Düpont nennt die Lage an den EU-Außengrenzen "untragbar".
Forderungen an die Bundesregierung
Mehrere Parlamentarier fordern eine schnelle Evakuierung. Und dass die Mitgliedstaaten ganz konkrete Hilfe leisten. Die Bundesregierung zum Beispiel müsse umsetzen, was viele Kommunen angeboten hätten - nämlich freiwillig Flüchtlinge aufzunehmen - findet Europaabgeordnete Sippel. "Wir haben, glaube ich, 170 Kommunen, die das angeboten haben, da muss Herr Seehofer endlich diese Angebote nutzen und praktisch umsetzen."
In dem für 3000 Menschen errichteten Lager lebten mehr als 12.000 Menschen unter extrem schwierigen Verhältnissen.
Uneinigkeit bei gerechter Verteilung der Migranten
Der Brand in Moria wirft erneut ein besonderes Licht auf die Probleme der europäischen Asylpolitik. Denn ein Grund, warum Lager wie in Moria überhaupt entstehen konnten, ist, dass sich die Mitgliedstaaten seit Jahren nicht auf eine gerechte Verteilung von Migranten einigen können. Während sich Länder an den Außengrenzen - Griechenland, Italien oder Malta - allein gelassen fühlen, weigern sich einige Staaten - vor allem aus Zentral- und Osteuropa - vehement dagegen, Menschen aufzunehmen.
Die deutsche Ratspräsidentschaft und die EU-Kommission wollen Bewegung in die festgefahrene Diskussion bringen. Der von der Kommission lang angekündigte Pakt für Asyl- und Migration lässt allerdings seit Monaten auf sich warten. "Mittlerweile ist es mehr als bitter nötig, dass er auf den Tisch kommt, nicht erst seit den Bränden in der Nacht", sagt Düpont.
Sie und andere Europapolitiker müssen aber nicht noch länger warten. Am 30.September will die Kommission ihren Pakt vorstellen, wie es nun in Brüssel hieß.