Finanzstreit in der EU Warum sich Orban auf Deutschland verlässt
Im Streit um die EU-Finanzen und die Rechtsstaatlichkeit blockiert Ungarns Premier Orban weiter. Er ist sich seiner Sache so sicher, weil er bisher immer auf seine deutschen Unterstützer in der EVP zählen konnte.
Lange konnten Viktor Orban und seine Fidesz-Partei sich auf die Unterstützung der deutschen Unionspolitiker verlassen. Fidesz-Abgeordnete und CDU/CSU-Abgeordnete sind Fraktionskollegen im Europaparlament. Sie arbeiten eng zusammen in der EVP-Fraktion, der Europäischen Volkspartei, dem Bündnis, in dem sich die Konservativen Europas zusammengeschlossen haben.
Dass Orban seit zehn Jahren demokratische Grundwerte in Ungarn abbauen kann, ohne dass ihm aus Brüssel wirksame Grenzen gesetzt wurden, dafür sei die EVP mitverantwortlich, sagt der Politikwissenschaftler und Experte für Europäisches Recht Daniel Kelemen. "Die EVP hat eine entscheidende Rolle dabei gespielt, dass Viktor Orban das erste autoritäre System in einem EU-Mitgliedsland aufbauen konnte."
Orban und EVP halfen sich gegenseitig
EU-Fördergelder gingen direkt an Orbans Parteifreunde und Familienmitglieder, Oppositionspolitiker kamen in den staatlichen Medien kaum noch zu Wort, dazu immer wieder anti-semitische Kampagnen - ohne dass Brüssel rote Linien aufgezeigt hätte. "Wenn sie ihn aus der EVP ausgeschlossen hätten", da ist sich der Politikwissenschaftler Kelemen sicher, "wäre das anders gelaufen."
Aber stattdessen habe man Orban durch die Parteienfamilie Legitimität verschafft - damit die EVP die größte Fraktion im Europaparlament bleiben konnte, mit entsprechender Vorrangstellung im Rat und in der Kommission.
CDU/CSU koaliert in Europa mit einem Rechts-Autoritären
Kelemen, der an der Rutgers Universität im amerikanischen Bundesstaat New Jersey forscht und lehrt, sieht auch Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Pflicht.
"Unter ihrer Führung würde die CDU niemals eine Koalition mit der AfD in Deutschland eingehen", so der Politikwissenschaftler. "Aber auf EU-Ebene koaliert die Union problemlos seit zehn Jahren mit Orban, einem rechts-autoritären Politiker."
Den Ausschluss von Orbans Fidesz-Partei forderten im April dreizehn Gruppen in der Europäischen Volkspartei, von Belgien bis Griechenland. Die deutsche CDU/CSU hält davon bis heute nichts. Ihr Vorsitzender Daniel Caspary setzt auf Dialog. "Wir sind hier im regelmäßigen Austausch zu der Frage Ausschluss JA oder NEIN. Ich kann‘s auch verstehen, die regelmäßigen Sticheleien und Versuche, die Grenzen auszutesten von Viktor Orban geht vielen Kolleginnen und Kollegen auf die Nerven. Aber mir ist ganz wichtig, wir müssen dringend den Dialog aufrechterhalten!"
Schutzschirm EVP
Den Dialog aufrecht erhalten - das soll nach Caspary auch für ein anderes Problemmitglied seiner EVP gelten, die bulgarischen Regierungspartei GERB. Sie bekam im jüngsten Rechtsstaatsbericht ebenfalls ein miserables Zeugnis von der Brüsseler Kommission ausgestellt. Korruption im Staatsapparat, Druck auf Justiz und Medien - trotzdem konnten die Bulgaren sich im wärmenden Nest der Parteienfamilie sicher fühlen. Die EVP nahm sie in Schutz.
"Was die EVP jetzt zur Bulgarien-Resolution gemacht hat, ist meiner Meinung nicht okay", sagt der FDP-Europaabgeordnete Moritz Körner. "So kann man sich nicht vor seine eigenen Parteifreunde stellen. Wir müssen bei der Frage Rechtsstaatlichkeit insgesamt konsequenter sein." Körner erklärt, seine liberale Fraktion gehe mit dem Problem anders um. Sie unterstützte mit großer Mehrheit eine kritische Resolution zum Korruptionsverdacht gegen Tschechiens Premier Babis, obwohl dieser aus den eigenen Reihen der Liberalen stammt. Die Sozialdemokraten verfahren ähnlich mit ihren Problemmitgliedern, den Sozialisten aus Malta.
Einig sind sich die großen Fraktionen im Europäischen Parlament aber in der Forderung, dass notorische Rechtsstaatsverletzer in Zukunft mit empfindlichen Strafen rechnen müssen. Zum Beispiel damit, dass ihnen die Fördergelder gekürzt werden. Bis in den späten Abend hat eine Delegation der Abgeordneten darüber mit der Vertretung der Regierungen verhandelt. Fortschritte gab es nicht - auch, weil die Regierungen von Ungarn und Polen es ablehnen, dass die Auszahlung von EU-Geldern an die Einhaltung von EU-Recht gekoppelt wird.