Isle of Man Die Insel der Glücklichen
Die Isle of Man vor Großbritannien gehört nicht zur EU. Denen, die hier Geschäfte machen, bietet das Eiland finanzielle Vorteile. Vor allem Liebhaber von Privatjets wie Lewis Hamilton und Betreiber von Online-Casinos fühlen sich hier wohl.
Isle of Man - Auf der Insel der Glücklichen
Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton war schon hier. In seinem feuerroten Privatjet. Und hier ist auch das Glück zu Hause - in Online-Spielcasinos: auf der Isle of Man. Kleiner als Hamburg ist diese Insel zwischen Irland und Großbritannien. Nur die Hälfte der Bewohner sind echte Manx - also auf der Isle geboren und hier geblieben. Besonders wohl fühlen sich auf der Isle of Man auch Finanzdienstleister - und Briefkastenfirmen für verborgene Geldgeschäfte und Steuerspartricks. Wie die von Hamilton.
Datenleck bei Finanzdienstleister Appleby
37 Athol Street, Douglas, Isle of Man. Hier residiert ein Teil von Appleby. Vorzeige-Anwaltskanzlei für Offshore-Geschäfte, preisgekrönt, Rechtsberater und Sponsor des wichtigsten Segelwettbewerbs der Welt, des America's Cups. Ein Teil der Kanzlei hat sich abgespalten - firmiert unter dem Namen Estera, sitzt aber im selben Gebäude.
Von hier kommen die meisten der 13,4 Millionen Dokumente, die der "Süddeutschen Zeitung" zugespielt wurden. Gemeinsam mit Journalisten von NDR und WDR haben 96 Medien weltweit die Daten von zwei Offshore-Anbietern und aus 19 Steuerparadiesen durchforstet. Ein Jahr lang haben Rechercheure in 67 Ländern Verträge, Akten, E-Mails und Kontoauszüge von Applebys Kunden ausgewertet. Berater bei Appleby und deren Partnerfirma Estera entwickeln hochkomplexe Firmennetzwerke - um diskret die Steuerabgaben ihrer Kunden zu minimieren oder fragwürdige Geschäftsbeziehungen zu verheimlichen.
Die Daten der "Paradise Papers" verraten, wie Superreiche, Prominente, Konzerne und Banken ihr Geld verschieben und andere Vorteile der verschwiegenen Insel nutzen.
Die Isle of Man
Die Isle of Man ist ein hübsches Fleckchen. Von Wasser umgeben. UNESCO-Biosphärenreservat. Die Arbeitslosigkeit liegt hier unter einem Prozent. Die Isle ist nicht Teil von Großbritannien; die Queen ist trotzdem ihr Oberhaupt. Von der Krone zwar abhängig - und doch selbstständig. Ein etwas schwer zu durchschauendes Gebilde. Wie die Verträge, die hier geschlossen werden.
Besonders angenehm an der Isle of Man sind für einige die Steuern. Viele ausländische Unternehmen zahlen Null Prozent. Eine Kapitalertragssteuer und Erbschaftssteuer gibt es nicht. Welch ein Glück für Superreiche! Und auf Glück baut die Insel ohnehin. 19,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verdient die Insel mit dem Online-Glücksspiel.
Online-Glücksspiel gilt unter Experten zwar als anfällig für Geldwäsche. Howard Quayle sagt aber, auf der Isle of Man sei der Bereich besonders gut reguliert. Quayle ist Chief of Minister auf der Isle - der Regierungschef.
Online-Glücksspiel in Deutschland durch die Hintertür
In Deutschland ist Online-Glücksspiel verboten. Nur Schleswig-Holstein hat 2011 eine Handvoll Casinos bis zum kommenden Jahr lizenziert. Trotzdem kann man auch in Neubrandenburg und Freiburg auf deutsch-sprachigen Seiten zocken. Einzahlen, klicken, verlieren. Sogar die bekannten deutschen Merkur-Spiele aus den Casinos mit der Sonne locken im Netz.
Die Casinos mit der Sonne, mit den Merkur-Spielen, gehören der Gauselmann Gruppe: bodenständig und im ostwestfälischen Espelkamp verwurzelt. Dank ihr muss niemand mehr in dunkle verrauchte Spielhallen laufen. Merkur-Spiele können einige ganz legal und bequem vom Bett aus spielen. Gauselmann betreibt Online-Casinos in Dänemark, Spanien, Italien und Schleswig-Holstein.
Dirk Quermann, Gauselmann Gruppe.
Es gebe ein Regulierungschaos im Online-Glücksspiel, sagt Gauselmann. Chaos? Gesetzlich ist es verboten - außer in Schleswig-Holstein. Im Rest Deutschlands ist Gauselmann im Internet also nicht aktiv? Indirekt schon. Denn die Gruppe verkauft ihre eigenen Spiele, also Lizenzen für die Nutzung, an andere Onlineanbieter. Und nicht nur die Lizenzen. Wer ein Casino aufmachen will, bekommt bei Gauselmann den vollen Service: Software, Spiele, sogar die Webseite. Ein Dienstleister, der sich um Ein- und Auszahlungen kümmert, gehört auch zur Unternehmensgruppe.
Dirk Quermann, Gauselmann Gruppe.
Im Fall von stake7.com hat die Gauselmann Gruppe eine ganze Plattform verkauft. Das hat das Unternehmen dem NDR bestätigt. Stake7.com ging als Komplettpaket inklusive der Domain, die Gauselmann schon länger besaß, an die Top Gaming Europe Limited. Ein komplettes Casino, auf Deutsch. Dafür erhält das Gauselmann-Unternehmen Alliance Gaming Solutions Limited mit Sitz auf der Isle of Man Lizenzgebühren vom Betreiber Top Gaming Europe Limited. Registriert ist der allerdings nicht in Deutschland - sondern auf der Isle of Man. Stake7.com wirbt offensiv mit "Original Merkur Spiele". Gauselmann verdient somit daran, dass Deutsche illegal online spielen. Er betreibt das Casino allerdings nicht.
"Die Gauselmann Gruppe betreibt weder unmittelbar noch mittelbar Echtgeld-Online-Casinos in Ländern, in denen dies nicht erlaubt ist", schreibt die Gauselmann Gruppe dem NDR.
Angelo Morbach ist online-spielsüchtig
Angelo Morbach war sechs Jahre lang spielsüchtig - zum Schluss vor allem online. Manchmal hat er zehn Stunden am Tag gespielt. Im Bett, im Zug, auf Arbeit. Irgendwann war sein Leben zerstört. Der 31-Jährige wurde obdachlos - und wollte sich das Leben nehmen. Zwei Einfamilienhäuser hätte er von seinem Geld bauen können. Etwa eine halbe Million Euro ist verspielt. Jetzt treibt Morbach viel Sport - in der Suchtklinik.
Online spielen hatte für Angelo Morbach viele Vorteile.
Der ehemalige Vertriebler spielte zunächst in den Casinos mit der Sonne. Merkur-Spiele von Gauselmann. Die hat er dann im Internet wiedergefunden.
Seit neun Monaten ist Angelo Morbach in Therapie. Sein Therapeut, der Psychologe Kurt Busse sagt, er sehe vermehrt Onlinesüchtige. Im Netz könne man leichter mehrere Spiele gleichzeitig spielen. Das Internet sei immer verfügbar und die soziale Kontrolle aus dem Casino falle weg. Busse befürchtet, dass Jugendliche über social gambling - Spiele mit Freunden auf dem Smartphone - immer stärker an Online-Glücksspiele gewöhnt werden. Und dann ihr Geld in Spiele wie die von Gauselmann stecken. Die Spiele, die nur dank der Isle of Man in Deutschland verfügbar sind.
Welcome to the Island
Die kleine Insel macht nicht nur Spieler glücklich. Auch Prominente und Superreiche erfreuen sich an den Vorteilen des Eilands. Die Wege hier sind kurz. Und auch von Großbritannien zur Isle of Man dauert es nur 30 Minuten - mit dem Flugzeug natürlich.
Welcome to the Isle of Man. Die Landung auf der Insel haben schon einige bekannte Persönlichkeiten genossen.
In einer Fernseh-Talkshow erzählt Lewis Hamilton mit geradezu kindlicher Freude von seinem Lieblingsspielzeug.
Lewis Hamiltons roter Jet
Lewis Hamilton jettet in seinem Flugzeug um die Welt. Mexiko, Abu Dhabi, Brasilien, New York. Immer dabei natürlich seine Lieblinge Roscoe und Coco. Auf Instagram können seine Fans verfolgen, wo sein roter Flitzer startet und landet. Auf der Isle of Man war der viermalige Formel-1-Weltmeister auch schon. Im Januar 2013 - mit seiner damaligen Celebrity-Freundin Nicole Scherzinger. Denn Hamiltons Bombardier Challenger 605 wurde in Kanada gebaut - und über die Isle of Man in die Europäische Union importiert.
Mit einem Zwischenstopp Millionen sparen
Denn soll ein Flugzeug in die EU eingeführt werden, fällt Einfuhrumsatzsteuer, die Mehrwertsteuer, an. In Deutschland 19, in Hamiltons Heimat Großbritannien und in Monaco, wo er offiziell lebt, 20 Prozent. Hamiltons Bombardier ist laut den "Paradise Papers" gut 20 Millionen Euro wert. Da sind 20 Prozent ganze vier Millionen Euro Steuern. Muss ja nicht sein. Dank der Isle of Man. Denn die hat ein Abkommen mit Großbritannien zu dem Thema. Wurde ein Flugzeug hier importiert, darf es in der EU steuerfrei fliegen. Und die Isle hilft beim Steuern sparen. Mit dem besonderen Modell wirbt auch die Private Jet Company der Isle: "Und unsere Isle of Man Niederlassung hilft Ihnen, einige sehr spezielle Steuervorteile zu erzielen, wenn Sie ein neues Flugzeug kaufen, um es in die EU zu importieren."
Nicht einmal eine halbe Stunde dauere es, ein Flugzeug zu importieren, sagt der Jet Centre Manager der Private Jet Company auf der Isle of Man, Joshua Risker.
Damit aber wirklich keine Steuern anfallen, bedient man sich auf der Insel eines Tricks - mit Briefkastenfirmen. Hamiltons heißen Stealth Aviation Limited und Inday Rose Limited. Hamilton gehört Inday Rose Limited; dieser Firma wiederum gehört Stealth Aviation und der gehört der rote Jet. Stealth vermietet den Jet nun an eine dritte Firma, die sich darum kümmert, dass ein Pilot an Bord und der Tank voll ist, wenn Hamilton es will.
Auf dem Papier sieht Hamiltons Privatjet dann aus wie ein Geschäftsflugzeug. Denn bei den Briefkastenfirmen fließen Gelder rein und raus. Und Geschäftsflugzeugen wird auf der Isle of Man die Einfuhrumsatzsteuer erlassen. Sogar, obwohl die Behörden auf der Insel genau wissen, dass Hamilton seinen Jet auch privat nutzt. Er hat es bei der Registrierung seiner Konstruktion angegeben.
Wie angekündigt, fliegt der Weltmeister damit auch in den Urlaub und privat um die Welt. Das zeigt er auf seinen Social-Media-Kanälen. Seine Anwälte schreiben dem NDR dazu: "Beratung wurde eingeholt bei Ernst und Young auf der IOM in Bezug auf die Strukturen, die für das Flugzeug genutzt wurden (…). Sie waren nicht rechtswidrig und sind weder Steuerhinterziehung noch missbräuchliche Praktiken. (...) Wenn sie behaupten, dass keine Mehrwertsteuer gezahlt wurde in Bezug auf dieses Arrangement, liegen Sie falsch." Für einen Teil der laufenden Kosten hat Hamilton tatsächlich Mehrwertsteuer gezahlt. Das gilt allerdings nicht für den Import.
Neben Hamilton nutzen zahlreiche Wohlhabende und Oligarchen diesen Trick und den Service der kleinen Insel. Insgesamt finden sich mehr als 50 solcher Fälle in den ausgewerteten Daten der "Paradise Papers".
Die Isle of Man teilte auf mehrfache Nachfrage mit, dass seit 2011 insgesamt mehr als 230 solcher Firmen, die Mehrwertsteuer zurückerstattet bekommen hätten. Insgesamt seien etwa eine Milliarde Euro erstattet worden. Das Geld fehlt anderen Staaten. Sechs bis zehn Flugzeuge im Monat werden so hier importiert oder registriert, sagen die Mitarbeiter der Private Jet Company auf der Isle of Man. Das Geschäft sei stabil.
Wenn es im Sinne der Insel sei, könnten Flugzeuge zu jeder Tages- und Nachtzeit importiert werden, sagt der Flight Operations Manager der Private Jet Company, Richard Boshuis.
Steueroase? Ja, sagen die Bewohner der Isle of Man. Sind wir und wollen wir bleiben. Nein, sagen die Politiker. Heute sei die Isle transparent und behandele alle gleich. Schließlich würde sie kontrolliert - von der OECD. Trotzdem prüft die Europäische Union bis Ende 2017, ob das Eiland auf die schwarze Liste der Steueroasen kommen sollte.
Autorenteam: Jochen Becker, Philipp Ecktstein, Carolin Fromm, Elena Kuch, Brid Roesner, Jan Lukas Strozyk, Benedikt Strunz
Redaktion: Stephan Wels
Kamera: Andreas Fritzche
Musik: Jay Z: "Show me what you got"
Foto: Philipp Eckstein, dpa, NDR, Instagram Lewis Hamilton, Unternehmensfilm der Gauselmann Gruppe