"Paradise Papers" Daten-Leak enthüllt Steuertricks der Reichen
Weltweit haben Journalisten Millionen geheimer Dokumente ausgewertet, die die Offshore-Geschäfte von Firmen, Politikern, Sportlern und Kriminellen enthüllen. Die Recherchen führen auch in das Umfeld von US-Präsident Trump.
Eine gemeinsame Recherche internationaler Journalistinnen und Journalisten deckt die Offshore-Geschäfte von Unternehmen, Politikern und Reichen auf. Fast 400 Reporter aus 67 Ländern haben mehr als ein Jahr lang einen riesigen Datensatz ausgewertet, insgesamt 13,4 Millionen Dokumente.
Die Daten zeigen, auf welche Weise Kriminelle, Spitzensportler, Superreiche und Musiker Steuern vermeiden, multinationale Konzerne Gewinne in Steueroasen verschieben und wie Dutzende Politiker Geschäfte mit zum Teil dubiosen Partnern abwickeln. Die Daten stammen zum großen Teil von der Anwaltskanzlei Appleby und betreffen unter anderem Geschäfte auf Bermuda, der Isle of Man und den britischen Kanalinseln Jersey und Guernsey.
Die Unterlagen wurden der "Süddeutschen Zeitung" überlassen, die sie mit dem Internationalen Konsortium Investigativer Journalisten (ICIJ) teilte. In Deutschland recherchierten Reporter und Reporterinnen des Norddeutschen Rundfunks, des Westdeutschen Rundfunks und der "Süddeutschen Zeitung" die "Paradise Papers". Insgesamt sind fast 100 Medien weltweit an dem Projekt beteiligt.
In den Daten: US-Handelsminister und Freund von Justin Trudeau
Eine Spur aus den Daten führt in das Kabinett von US-Präsident Donald Trump. Dessen Handelsminister, Wilbur Ross, ist ausweislich der "Paradise Papers" an Geschäften mit einem russischen Unternehmen beteiligt, das zum Teil dem Schwiegersohn des russischen Präsidenten Wladimir Putin gehört. Ross spielt den Interessenskonflikt herunter und sagte auf Anfrage des ICIJ, er halte sich aus Entscheidungen zur Schifffahrt heraus.
Eine andere Datenspur könnte den kanadischen Premierminister Justin Trudeau in Bedrängnis bringen: Einer seiner engsten Berater und zugleich sein langjähriger Freund, der Spendensammler der Liberalen Partei, trug mutmaßlich dazu bei, Kanada Millionen an Steuern zu entziehen. Auf Anfrage bestritt der Berater jedes Fehlverhalten. Trudeau sprach sich während seiner Regierungszeit wiederholt dafür aus, konsequent gegen Steuerbetrug vorzugehen. Die Recherchen werden weltweit unter dem Titel "Paradise Papers" veröffentlicht.
Die "Paradise Papers" zeigen außerdem, wie die Kanzlei Appleby und andere Beraterfirmen multinationalen Konzernen dabei helfen, ihren Steuersatz zu drücken. In den Unterlagen tauchen Hinweise auf die zum Teil verborgenen Firmenstrukturen von Apple, Nike, Facebook und anderen Großunternehmen auf. So suchte die Computerfirma Apple laut einer Email aus dem Jahr 2014, einen Geschäftssitz in einem Land, in dem möglichst niedrige Steuern anfallen. Apple war zuvor wegen seiner Steuerpraxis in Irland unter Druck geraten. Apple erklärte dazu, man halte sich an alle Gesetze. Die Unterlagen enthüllen außerdem, dass staatlich kontrollierte Unternehmen aus Russland im großen Stil in Twitter und Facebook investiert hatten.
Bei Appleby, auf deren interne Dokumente sich die Recherche in erster Linie stützt, handelt es sich um eine in der Branche hoch angesehene Offshore-Kanzlei, die mit zahlreichen Preisen dekoriert wurde. Die "Paradise Papers" zeigen, dass die Kanzlei in der Vergangenheit dennoch Kunden hatte, die auf internationalen Sanktionslisten standen, dass sie Geldwäsche-Regularien nicht ernstnahmen, und dass sie Kriminellen eine anonyme Möglichkeit boten, ihre Geschäfte abzuwickeln.
Appleby spaltete sich im Jahr 2015 formal in zwei Gesellschaften auf, ein Teil der Geschäfte läuft heute unter dem Firmennamen Estera. Die beiden Gesellschaften arbeiten nach wie vor eng zusammen.
120 Staats- und Regierungschefs und Politiker
In den Unterlagen tauchen mehr als 120 Staats- und Regierungschefs und Politiker aus 47 Ländern auf. Zu den weiteren Kunden der Kanzlei gehört auch eine sanktionierte iranische Bank.
Die Unterlagen zeigen ebenso, wie Gelder der Königin von England, Queen Elizabeth II., in ein Unternehmen investiert wurden, das sein Geld damit verdient, Konsumgüter gegen stark überhöhte Zinsen auf Kredit zu verkaufen. Die Firma wurde gerade zu einer Rückzahlung in Millionenhöhe verurteilt. Es ist unwahrscheinlich, dass Elizabeth II. von dieser Art Geldanlage wusste. Auf Nachfrage hieß es, Berater regelten diese Geschäfte.
Auch Sportler und Prominente nutzen ausweislich der Unterlagen die Diskretion der Steueroasen. Die Unterlagen belegen, wie der Frontman der Pop-Gruppe U2, Bono, über Firmen in Malta und in Guernsey in ein Einkaufszentrum in Litauen investiert hat. Bono bestätigte den Vorgang, bestritt aber jedes Fehlverhalten.
Leak besteht aus mehreren Datensätzen
Appleby bietet neben den klassischen Briefkastenfirmen ein breites Portfolio an Offshore-Dienstleistungen an: Ein großer Teil des Geschäfts besteht in der Rechtsberatung vermögender Kunden und Unternehmen - vor allem bei der Steuergestaltung. Auch zahlreiche deutsche Banken und Unternehmen arbeiten regelmäßig mit Appleby zusammen. Darüber hinaus arbeitet Appleby im Glücksspielbereich, der als äußerst anfällig für Geldwäsche gilt. Die Kanzlei kümmert sich beispielsweise auch darum, Glücksspiellizenzen für Online-Casinos zu vermitteln, die in Deutschland illegal sind.
Die untersuchten Daten der "Paradise Papers" setzen sich aus mehreren separaten Einzel-Datensätzen zusammen. Den größten Teil machen interne Dokumente von Appleby aus. Hinzu kommen bislang zum Teil unveröffentlichte Handelsregister-Informationen aus insgesamt 19 Staaten, darunter die Bahamas, Bermuda und die Cayman Islands. Weitere Daten stammen von dem Offshore-Provider Asiaciti. Der Datensatz ist insgesamt 1,4 Terabyte groß und deckt einen Zeitraum von 1950 bis 2016 ab.
Konfrontiert mit den Vorwürfen, erklärte die Kanzlei Appleby, dass sie bei vielen angefragten Fällen weder ein öffentliches noch ein journalistisches Interesse nachvollziehen könne. Eines Fehlverhaltens sei sich die Kanzlei bei vielen der geschilderten Fälle nicht bewusst. Mehrere Gesprächsangebote lehnte die Kanzlei ab und verwies darauf, dass viele ihrer früheren Kunden heute von Estera betreut würden. Estera sagte, dass sich das Unternehmen an alle Regeln halte, und dass man zu Vorgängen vor der Ausgründung nichts sagen könne.