EU begrenzt Pestizid-Einsatz Ein Gegengift aus Brüssel
Krebserregende und andere hochgiftige Pestizide sollen vom europäischen Markt verschwinden. Das EU-Parlament hat für ein weitgehendes Verbot gefährlicher Substanzen in Pflanzenschutzmitteln gestimmt. Erlaubt bleibt nur, was umwelt- und gesundheitsverträglich ist.
Von Martin Durm, ARD-Hörfunkstudio Straßburg
Die Europa-Abgeordnete Christa Klaß wird sich auch umstellen müssen: Sie kommt aus einer Winzerfamilie aus Osann-Monsel, einem Dorf an der Mosel. Und weil dort die Reben an Steilhängen wachsen, werden die Chemikalien gegen Pilz- und Schädlingsbefall seit langem per Hubschrauber großflächig verspritzt. Viereinhalb Hektar bewirtschaftet die Familie Klaß. Die neue EU-Richtlinie zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wird auch sie treffen: "Wir werden bei einigen Insektiziden Problemen haben." Aber auch bei Herbiziden, die wegfallen, wüssten die Winzer noch gar nicht, welcher Stoff im einzelnen betroffen sei.
Strenge Kontrollen und Verbote
Die Hubschrauber werden auch weiterhin über dem Moseltal kreisen. Aber das Zeug, das sie versprühen, wird künftig streng kontrolliert, einiges davon sogar verboten. Egal ob an der Mosel, auf baltischen Äckern oder portugiesischen Feldern - in den kommenden Jahren wird es überall in der EU klare Regeln für den Pestizid-Einsatz geben: Pflanzenschutzmittel, die nachweislich krebserregende, erbgut- oder fortpflanzungsschädigende Wirkstoffe enthalten, werden EU-weit verboten. Was erlaubt sein wird, muss nach der neuen Richtlinie verträglich sein für die Umwelt und für die Gesundheit.
Auch die christdemokratische Europaabgeordnete Klaß steht hinter den neuen EU-Auflagen und glaubt, dass sich die Interessen der Winzer und Bauern durchaus mit der Pestizid-Richtlinie vereinbaren lassen: "Für mich ist wichtig, dass am Ende keine schädlichen Stoffe mehr drin sind", sagt sie. Alle europäischen Richtlinien müssten eingehalten werden. Es werde stichprobenartig kontrolliert, ob die Bauern dies einhalten, so Klaß. "Sonst bekommen sie keine Ausgleichszahlungen."
Chemieriesen warnten vor Richtlinie
Dabei hatte die europäische Agrarlobby in den vergangenen Monaten noch den Untergang der abendländischen Landwirtschaft beschworen und großes Unheil prophezeit, wenn die EU den Einsatz von Pestiziden reguliere: Europas Agrarflächen würden veröden, warnten die Sprecher deutscher Chemieriesen wie Bayer und BASF, die Landwirtschaft sei in ihren Grundlagen bedroht.
Es dürfte ihnen weniger um das Schicksal des Bauernstandes gegangen sein als um die sechs Milliarden Euro Umsatz, die bislang jährlich und EU-weit mit Pflanzschutzmitteln gemacht worden sind. Weniger Pflanzenschutz bedeute weniger Agrarprodukte bedeute höhere Preise für die Verbraucher, rechneten die Lobbyisten bei jeder Gelegenheit vor.
"Meilenstein für Verbraucher und Umweltschutz"
Dass sie in Brüssel und Straßburg damit nicht durchkamen, verbuchen nun viele Europaabgeordnete als Sieg der Vernunft über industrielle Interessen. Vor allem die grüne Parlamentarierin Hiltrud Breyer, die die Pestizid-Richtlinie als Berichterstatterin mit ausgearbeitet hat, will sich gar nicht mehr einkriegen vor Begeisterung: "Weil wir einen Meilenstein geschaffen haben - für den Verbraucher und den Umweltschutz. Denn erstmalig werden hochgefährliche Pestizide verboten. Das gab es bislang noch nie. Europa kann Vorreiter spielen. Wir haben diesen Ausstiegsbeschluss durchgeboxt."
So revolutionär wird die neue Richtlinie allerdings auch wieder nicht sein. Von den 220 Pflanzenschutzmitteln, die in der EU derzeit zugelassen sind, dürften in den nächsten zehn Jahren höchstens fünf Prozent verboten werden, die Genehmigung für den Einsatz des Pestizidhammers "Basta" von Bayer läuft angeblich noch bis 2017. Womöglich hat Breyers Begeisterung für die neue EU-Richtlinie ja auch etwas damit zu tun, dass in diesem Jahr das Europaparlament neu gewählt wird. Gute Nachrichten von der EU sind da erwünscht.