Polens Regierungschef in Brüssel Dialog und doppelter Druck
Bei Morawieckis Besuch in Brüssel geht es vor allem um die umstrittenen polnischen Justizreformen. Polen und die EU setzen jetzt auf Dialog - damit ein Druckmittel nicht zur Anwendung kommt.
Die gute Nachricht ist: Sie reden miteinander. Gut zwei Jahre lang kam der Versuch der EU-Kommission, im Streit mit Warschau einen Dialog zu führen, eher einem Selbstgespräch gleich. Doch seitdem Ende vergangenen Jahres Mateusz Morawiecki das Amt des Regierungschefs übernahm, hat sich das geändert.
"Wir haben jetzt eine andere Situation, weil wir nun tatsächlich einen Dialog mit Polen führen", erklärte EU-Kommissionsvize Frans Timmermans vergangene Woche. "Aber natürlich macht ein Dialog nur Sinn, wenn er Ergebnisse hervorbringt." Damit benannte er das Problem: Warschau ist im Ton nun zwar verbindlich, aber in der Sache weiter hart. Den umstrittenen Umbau des Justizsystems jedenfalls treibt die polnische Regierung unerbittlich voran. Daran hat sich trotz des Drucks, den nicht nur Brüssel, sondern insbesondere auch Berlin ausübt, nichts geändert.
"Demokratie in Gefahr"
"Politische Rabatte bei der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie werden nicht gewährt", betonte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth, vor wenigen Tagen in Brüssel. Im Namen der Bundesregierung und der französischen Regierung verlas er beim Treffen der Europaminister eine Erklärung, die klarstellte, für wie problematisch Berlin und Paris die Lage in Warschau mittlerweile halten.
Aus Teilnehmerkreisen hieß es, dass sich bei dem Treffen letztlich nur der ungarische Vertreter eindeutig auf die Seite Polens schlug. Und auch Timmermans stellte "durch die Bank starke Unterstützung für die Position der EU-Kommission" fest.
Erstmalig überhaupt in der Geschichte der EU hatte Brüssel kurz vor Weihnachten ein Sanktionsverfahren gegen die polnische Regierung eingeleitet, weil es in dem Land die Demokratie in Gefahr sieht. Doch eben wegen des ungarischen Widerstands und weil empfindliche Strafen einstimmig beschlossen werden müssten, könnte sich dieses Werkzeug letztlich als stumpf erweisen.
Druck auch durch Bundesregierung
Daher nutzt insbesondere die Bundesregierung ein Druckmittel, das sich am Ende als deutlich schmerzhafter erweisen könnte: Berlin drängt hinter den Kulissen in Brüssel darauf, die Verteilung von EU-Hilfsgeldern für wirtschaftlich schwache Regionen künftig an die Wahrung demokratischer Spielregeln zu knüpfen. Das ist eine deutliche Warnung an Warschau, das auf die Milliardenhilfen dringend angewiesen ist.
Bis Anfang Mai muss sich die EU-Kommission entscheiden, wie sie vorgeht, denn dann will sie ja ihren neuen Haushalts-Entwurf präsentieren.
"Ich wünsche keine neue Spaltung in Europa, davon hatten wir genug", gibt EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker zu bedenken. Er weiß sehr wohl um die explosive Wirkung, die das Knüpfen von Hilfsgeldern an das Einhalten demokratischer Spielregeln oder auch an die Aufnahme von Flüchtlingen hätte. Zudem weiß er, in welch zerbrechlichem Zustand sich die EU nach diversen durchlebten Krisen und zahlreichen Wahlerfolgen von Rechtspopulisten derzeit befindet.
Eine einheitliche Linie zur Koppelung des Haushalts an Fragen des Rechtsstaats muss die Kommission erst noch finden. Doch die Vorbereitungen auf einen entsprechenden Gesetzentwurf laufen offenbar. Am liebsten wäre es aber nicht nur der Brüsseler Behörde, der Streit ließe sich im Dialog mit Warschau entschärfen. Doch bislang gibt es keine Anzeichen, dass die polnische Regierung in der Sache nachzugeben bereit ist - trotz des doppelten Drucks, den die EU zu entfalten versucht.