Umstrittene Justizreform Polens Oberste Richterin tritt ab
Ihre Kritik an der Justizreform der Regierung hatte sie bekannt gemacht: Die Vorsitzende des Obersten Gerichts, Gersdorf, geht in den Ruhestand. Präsident Duda ernannte zunächst einen kommissarischen Nachfolger.
Polens Präsident Andrzej Duda hat den 47-jährigen Richter Kamil Zaradkiewicz zum neuen Vorsitzenden des Obersten Gerichtshofs ernannt. Dies teilte die Kanzlei des Präsidenten in Warschau mit. Zaradkiewicz wird Nachfolger der bisherigen Vorsitzenden Malgorzata Gersdorf, deren Amtszeit Ende April ausläuft.
Gersdorf hatte sich als vehemente Kritikerin der von der nationalkonservativen Regierungspartei PiS initiierten Justizreformen profiliert. Als die PiS 2018 ein Gesetz durchsetzte, wonach alle Richter des Obersten Gerichts mit 65 statt mit 70 Jahren in Pension gehen müssen, erschien Gersdorf, die damals 65 Jahre alt war, trotzdem weiter im Dienst. 2019 entschied der Europäische Gerichtshof, dass die Zwangspensionierung am Obersten Gericht sowie an ordentlichen Gerichten gegen EU-Recht verstoße.
Unterstützer Gersdorfs demonstrieren
Vor dem Gerichtsgebäude versammelte sich eine Menschenmenge, um Dank für Gersdorfs Rolle bei der Verteidigung der Unabhängigkeit der Justiz zum Ausdruck zu bringen und sich von ihr zu verabschieden.
Der neue Vorsitzende Zaradkiewicz hat als Abteilungsleiter im Justizministerium gearbeitet, zuletzt war er Richter in der Zivilkammer der Obersten Gerichts. Seine Ernennung erfolgte durch den Landesjustizrat - ein Gremium, das aus Sicht von Regierungskritikern mittlerweile unter der Kontrolle der Politik steht.
Die PiS hat per Gesetzesänderungen und Personalentscheidungen große Teile der Justiz unter ihren Einfluss gebracht, nachdem sie 2015 an die Macht gekommen war.
EU leitete Verfahren ein
Die EU-Kommission wirft der Partei seit längerem vor, die polnische Demokratie auszuhöhlen, indem sie die direkte staatliche Kontrolle über Gerichte, Medien und die Zivilgesellschaft verschärft.
Richterin Malgorzata Gersdorf gibt eine Pressekonferenz an ihrem letzten Arbeitstag.
Sie hatte erst gestern ein neues Verfahren gegen das Land wegen eines Maulkorbs für Richter eingeleitet. Es bestünden deutliche Risiken, dass die Politik die Anfang 2020 eingeführten Disziplinarregeln gegen die Richter nutze, um Justizentscheidungen zu kontrollieren, hatte EU-Kommissarin Vera Jourova erklärt.
Ein Treffen des Gerichts zur Auswahl von fünf Kandidaten für Gersdorfs Nachfolge wurde bis zur Aufhebung der wegen der Corona-Pandemie verhängten Kontaktbeschränkungen verschoben. Kritiker fürchten, dass nun jemand benannt wird, der den von der PiS angestoßenen Umbau des polnischen Justizsystems mitträgt.