Polen und die Rückführung Eine Frage der Interpretation
Polen war eines von drei Ländern, das am Wochenende die beschleunigte Rückführung schnell dementierte. Das Rückführungsabkommen mit 14 EU-Ländern entpuppt sich als eine Interpretationsfrage.
Es gibt keine "neuen Verträge" zur Übernahme von Flüchtlingen aus Deutschland oder anderen EU-Ländern: Dies wiederholte der polnische Außenminister Jacek Czaputowicz heute Morgen nochmals im polnischen Radio, allerdings mit einer Ergänzung:
"Wir bestätigen nicht, dass in der letzten Zeit irgendeine Vereinbarung mit Deutschland geschlossen wurde. Übrigens hat Bundeskanzlerin Merkel das selbst richtiggestellt, als sie sagte, es geht um politische Gespräche über die Verbesserung der vorhandenen Mechanismen."
Viele Antragssteller wandern in den Westen
Gemeint ist die europäische Regelung, dass sich Asylbewerber sofort nach Einreise melden und auch im Land der Antragstellung bleiben müssen, bis ihr Fall entschieden ist. Das ist auch geltendes Recht in Polen. Das Land, das bis dato nicht auf den Hauptrouten der Migranten lag, verzeichnete im vergangenen Jahr lediglich 5000 Anträge: vor allem Menschen aus der früheren Sowjetunion, die Erfolgsquote lag bei etwa zehn Prozent.
Tatsächlich wandern viele Antragsteller weiter in den Westen. 1400 Rückführungen nach Polen habe es in diesem Kontext im vergangenen Jahr gegeben: Die meisten waren nach Deutschland weitergereist, heißt es beim polnischen Ausländeramt.
Gipfel als diplomatischen Erfolg gefeiert
Die Bundeskanzlerin meine eine Verbesserung dieses Abschiebemechanismus, der gut funktioniere, so Außenminister Czaputowicz. Wie ein Dementi klang das nun nicht mehr. Warum also der Widerspruch vom Wochenende? Die vier migrationsskeptischen Visegrad-Staaten feiern den Gipfel seit Tagen als großen diplomatischen Erfolg; gemeinsam sei es gelungen, die zwangsweise Umverteilung von Flüchtlingen endlich vom Tisch zu bekommen.
Nichts soll diesen Erfolg relativieren, auch nicht Berichte über Rückführungen in speziellen Fällen. Das aber steht im Widerspruch zum Bemühen der Kanzlerin, Gipfelbeschlüsse ebenfalls als Erfolge zu darstellen zu wollen. Der stets wortgewaltige Europa-Abgeordneter von der PiS-Partei, Ryszard Czarnecki, machte sich öffentlich diesen Reim darauf:
Es gibt das alte polnische Sprichwort, ein Ertrinkender greift nach dem Strohhalm. Die Bundeskanzlerin greift zurzeit nach jedem Mittel, um im Amt zu bleiben.
Ryszard Czarnecki, Europa-Abgeordneter der PiS-Partei, sagt: "Die Bundeskanzlerin greift zur Zeit nach jedem Mittel, um im Amt zu bleiben."
Doch so groß die Genugtuung in den Hauptstädten der östlichen EU-Staaten auch wegen des nun auch offiziell harten Kurses der EU ist: ein Untergang Merkels als Kanzlerin würde dort eher nicht begrüßt. Denn in Warschau und anderswo weiß man sehr genau, dass ein harter Kurswechsel in Berlin und eine womöglich weniger pro-europäische Regierung die Region viel kosten könnte.
Am deutlichsten machte das der tschechische Ministerpräsident Andrej Babis, als er sich unlängst gegen einseitige deutsche Grenzschließungen aussprach, mit eigener Abriegelung drohte – und vor dem Ende des Schengen-Systems der offenen Grenzen für alle Bürger warnte.