Widerstand in Polen Der Kampf um das Danziger Postamt
Am 1. September 1939 fällt die deutsche Wehrmacht in Polen ein. Als eines der ersten Ziele greifen die Soldaten das Postamt in Danzig an. Doch stellen sich dort 50 Beamte den Angreifern entgegen und werden so zu einem Symbol des polnischen Widerstands.
Von Ludger Kazmierczak, ARD-Hörfunkstudio Warschau
Der Dienstplan sieht vor, dass Elzbieta Marcinkowska erst am Nachmittag des 1. September 1939 arbeiten muss. Diesem Zufall verdankt die damals 24-jährige Telegrafistin ihr Leben. Die junge Polin teilt sich mit einer Kollegin vom Postamt Danzig Nr. 1 eine kleine Wohnung am Rande der mehrheitlich von Deutschen bewohnten Hafenstadt. Sie sagt: "Wir sind sehr früh aufgewacht, irgendwann nach Vier, als wir die Schüsse von der Westerplatte hörten. Wir fragten uns: was ist los? Dann schalteten wir das Radio ein. Und da wussten wir: es ist Krieg! Wir hörten die Schusswechsel und die Flugzeuge über der Stadt. Man spürte überall Unruhe und Angst und wir fragten uns, wann das wohl vorbei sein wird."
Die Stadt Danzig im Jahr 1939
Um kurz vor 8 begleitet Elzbieta ihre Freundin, die Frühschicht hat, zur Arbeit. Zu den polnischen Hoheitsrechten im Freistaat Danzig gehört die Abwicklung des Postverkehrs zwischen der Stadt und Polen, unter anderem über das große Postamt am Heveliusplatz. "Wir gingen zwei Straßen und trafen dann auf eine Schranke, die uns den Weg versperrte", erzählt Elzbieta Marcinkowska. "Aber wir hörten von drüben die Schüsse und wussten, dass sich unsere Kollegen verteidigen. 14 Stunden lang haben sie den Angriffen der Deutschen standgehalten."
September 1939: Soldaten der deutschen Wehrmacht in Polen
Postbeamte leisten Widerstand
Neben der Westerplatte ist das Danziger Postamt bis heute ein bedeutendes Symbol für den polnischen Widerstand gegen die übermächtigen Angreifer. Mehr als 50 Beamte leisten hier ihren Dienst, als Deutschland Polen überfällt. Die Postler sind auf eine solche Attacke vorbereitet. Neben Briefmarken verfügt das Amt daher an jenem Tag auch über etwa 40 Pistolen, drei Maschinengewehre und drei Kisten voller Handgranaten.
"Die Frauen waren nicht eingeweiht, aber unsere Kollegen hatten zuvor abends an Verteidigungsschulungen teilgenommen", schildert Elzbieta Marcinkowska. "Das alles hatte sich abgezeichnet. Auf den Straßen Danzigs herrschte schon seit Tagen eine bedrückende Stimmung. Überall sah man die Hitlerjugend. Dabei war der August eigentlich sehr schön, sonnig und warm."
Vergebliches Warten auf Hilfe
Die mutigen Kämpfer der Post haben den Auftrag, das Amt so lange zu verteidigen, bis polnische Truppen als Verstärkung anrücken. Doch die erhoffte militärische Unterstützung bleibt aus. Stattdessen stecken SS-Truppen das Gebäude in Brand und zwingen die Polen zur Aufgabe. Die 38 Überlebenden des Gefechts werden einen Monat später zum Tode verurteilt und erschossen. Nur vier Menschen konnten fliehen und überlebten das Kriegsende.
Die Zeit helfe sicher, Wunden zu heilen, sagt die heute 94jährige Elzbieta Marcinkowska, aber die Narben seien geblieben. Sie erklärt: "Man vergibt, aber man vergisst nicht. Ich habe vergeben, weil man mit einer solchen Last nicht leben kann. Wer in diesen Zeiten Mensch bleiben wollte, ist Mensch geblieben. Und wer kein Mensch geblieben ist, der trägt ganz allein die Verantwortung dafür."
Adolf Hitler zieht in Danzig ein.