Reaktionen auf Brexit-Votum Jetzt ist London am Zug
Das britische Votum zum Brexit-Abkommen hat in Europa Enttäuschung ausgelöst. Trotzdem zeigen Vertreter der EU und der Mitgliedsländer wenig Bereitschaft, Großbritannien weiter entgegenzukommen.
Mit der Ablehnung des Brexit-Vertrags im britischen Unterhaus ist aus Sicht von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Gefahr eines "ungeordneten Austritts" ohne Abkommen gestiegen. Auch wenn die EU dies nicht wolle, werde die EU-Kommission nun ihre Vorbereitungen für einen sogenannte No-Deal-Brexit fortsetzen, erklärte Juncker. Er forderte Großbritannien auf, "seine Absichten so bald wie möglich klarzustellen". "Die Zeit ist beinahe abgelaufen."
EU-Ratspräsident Donald Tusk deutete an, dass die Briten sich nun noch einmal überlegen sollten, doch in der EU zu bleiben. "Wenn ein Deal unmöglich ist und niemand einen No-Deal will, wer wird dann den Mut haben zu sagen, was die einzige positive Lösung ist?", fragte er auf Twitter.
Scholz: Europa ist vorbereitet
Vizekanzler Olaf Scholz sprach von einem "bitteren Tag für Europa". "Wir sind vorbereitet", versicherte der Bundesfinanzminister auf Twitter. "Aber ein ungeregelter Brexit ist die schlechteste aller Möglichkeiten" - das gelte für die EU, "besonders" aber für Großbritannien.
Fristverlängerung nur unter bestimmten Umständen
Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok erwartet eine Reaktion von der britischen Regierung. "Die Niederlage im Unterhaus für das Austrittsabkommen war so hoch, dass die britische Regierung jetzt am Zuge ist." London müsse nun einen Vorschlag machen, wie es weitergehen solle. Brok ist Brexit-Beauftragter der EVP-Fraktion im Europaparlament. EU-Diplomaten rechnen mit einem Antrag aus London, den Brexit zu verschieben. Das könnte nur unter ganz bestimmten Umständen akzeptiert werden, erklärte Brok: um Neuwahlen oder eine neue Volksabstimmung vorzubereiten.
Eine Verlängerung der Brexit-Frist sei allenfalls bis zum 1. Juli denkbar, warnte auch der SPD-Europapolitiker Jo Leinen. Wenn der Brexit nicht spätestens zum offiziellen Ende der laufenden Legislaturperiode des Europäischen Parlaments vollzogen seit, müssten bei der Europawahl im Mai auch in Großbritannien neue Europaabgeordnete gewählt werden. Dies sei aber nur möglich, wenn das Land die Austrittserklärung komplett zurückziehe und EU-Mitglied bleibe.
Centeno warnt vor No-Deal-Brexit
Für die EU-Kommission heißt es jetzt abwarten, ob die britische Premierministerin Theresa May in den nächsten Tagen einen Alternativplan zur Abstimmung in das britische Unterhaus bringt - mit ungewissen Ausgang. Ein Kurswechsel sei denkbar, alles sei besser als ein ungeordneter Ausstieg aus der EU, warnte der Chef der Eurozone, Mario Centeno.
Der liberale Brexit-Beauftragte des Parlaments, Guy Verhofstadt, twitterte: "Das britische Parlament hat gesagt, was es nicht will. Jetzt ist es Zeit herauszufinden, was die britischen Abgeordneten wollen. Derweil müssen die Rechte der Bürger gesichert bleiben." Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Ska Keller sah in Mays Niederlage aber auch die Möglichkeit, die Blockade im britischen Parlament zu überwinden. "Die Zeit der politischen Spielchen ist vorbei", meinte sie. Britische Politiker müssten nun an einer Lösung arbeiten, um einen ungeregelten Brexit zu verhindern.
BDI und DIHK warnen vor Folgen
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) warnte vor dramatischen Folgen der Entscheidung. "Unternehmen diesseits und jenseits des Ärmelkanals hängen weiter in der Luft. Ein chaotischer Brexit rückt in gefährliche Nähe", sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang.
DIHK-Präsident Eric Schweitzer forderte die deutschen Unternehmen auf, sich auf einen ungeregelten Brexit vorzubereiten. "Ohne Abkommen droht der Brexit völlig ungeregelt abzulaufen", warnte er. Die Unternehmen hätten keine Planungssicherheit.
Kurz lehnt Nachverhandlungen ab
Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz bedauert auf Twitter ebenfalls den Ausgang der Abstimmung. "Es wird jedenfalls keine Nachverhandlungen zum Austrittsabkommen geben", schreibt er.