EU-Türkei-Deal und das Resettlement Zweiklassensystem für Flüchtlinge
Knapp zwei Monate nach dem Flüchtlingsdeal wird klar: Die EU hat Plätze des UNHCR-Resettlements für Schutzsuchende aus allen Ländern umetikettiert. Jetzt sind sie nur noch für Syrer da. Und wer in die EU darf, entscheidet nur noch die Türkei.
Aus Griechenland wurden 386 Flüchtlinge in die Türkei abgeschoben. Die Zahl, auf die indes nicht so genau geschaut wird, lautet: Im Gegenzug konnten - Stand 4. Mai - lediglich 135 syrische Flüchtlinge legal in die EU einreisen. Wie jedoch gelangen diese Menschen in die EU?
Die EU spielt mit Nullsummen: Diese 135 Menschen kamen über ein Kontingent, das eigentlich für das sogenannte Resettlement-Verfahren vorgesehen war - ein modernes Instrument der Flüchtlingspolitik. Das ist nun faktisch abgeschafft. Resettlement bedeutet eigentlich, dass der UNHCR erst prüft, wer schutzbedürftig ist, dann das Asylverfahren abwickelt und die Länder schließlich nur noch aufnehmen müssen. Die USA nahmen 2015 in diesem Verfahren beispielsweise 75.000 Menschen auf.
Die 28 Mitgliedsstaaten der EU konnten sich in der Vergangenheit zusammen zur Aufnahme von gerade einmal knapp 6000 Flüchtlingen jährlich durchringen. Im Jahr 2014 jedoch verpflichteten sie sich zur Schaffung von insgesamt 20.000 Resettlement-Plätzen - für Flüchtlinge aus allen Ländern. Ein Fortschritt.
Mehr als zwei Millionen Syrer haben in der Türkei Zuflucht gefunden, wie hier im Flüchtlingslager bei Sanliurfa.
Keine zusätzlichen Plätze
Doch diese Plätze gibt es nun nicht mehr. Denn für den Türkei-Deal stellten die EU-Staaten keine zusätzlichen Plätze zur Verfügung, sondern setzten einfach das auf europäischer Ebene beschlossene Resettlement-Kontingent ein.
Weitere 54.000 Aufnahmeplätze werden dadurch gewonnen, dass bislang nicht zugeordnete Kontingente des im vergangenen Herbst vereinbarten innereuropäischen Umverteilungsprogramms auch für die Aufnahme von Syrern genutzt werden, die sich in der Türkei aufhalten. Welchen Status sie dann bekommen, ist unklar. Insgesamt bis zu 72.000 Syrer werden auf wenige EU-Staaten verteilt, darunter auch Deutschland.
Bei der Auswahl der Flüchtlinge in der Türkei werden aber nicht etwa die Standards des UNHCR beachtet, sondern die Türken wenden eigene Kriterien an, die nur für Syrer gelten. Menschen anderer Nationalität fallen gleich raus. Die Kriterien sind: a) Frauen und Mädchen in Gefahr, b) Überlebende von Folter und Gewalt, c) Kranke oder d) Behinderte. Ausgeschlossen vom Verfahren sind Menschen, die bereits früher in die EU einreisten oder es versuchten. Der Flüchtling kann keine Länderwünsche angeben.
Für Iraker, Afghanen oder Menschen anderer Nationalitäten gibt es damit von der Türkei keinen legalen Weg nach Europa - der UNHCR kann sie nicht verteilen. Sie müssen sich die Plätze Kanadas, Australiens und der USA aufteilen. Derzeit werden den Flüchtlingen Wartezeiten von sieben Jahren genannt, ehe sie in ihr Aufnahmeland einreisen können. Das bedeutet: Sie müssen etliche Jahre in der Türkei warten und überleben. Europa schafft ein Zweiklassensystem für Flüchtlinge.
UNHCR nur noch pro forma dabei
Obwohl er den Deal kritisiert, ist der UNHCR doch in das Auswahlverfahren involviert, allerdings nur pro forma. Er interviewt die Schutzsuchenden und erstellt Dossiers. Dann übernehmen die Aufnahmestaaten, nehmen Fingerabdrücke und überprüfen die Sicherheit. Ein Asylverfahren findet nicht statt. Es gebe keinen rechtlich verbürgten, einheitlichen Schutzstatus für die Aufgenommenen, betont ein Kenner, der nicht genannt werden möchte. Wenn der Aufnahmestaat grünes Licht gibt, überprüft er die Gesundheit und organisiert den Transport.
Der Zustrom von syrischen Flüchtlingen ist somit via Türkei fast gänzlich zum Erliegen gekommen. Für andere Nationalitäten ist die Türkei zu einer Sackgasse geworden.