Porträt des neuen EU-Ratspräsidenten Ein Politiker mit Hang zur Lyrik
Er schreibt Gedichte, bleibt gerne im Hintergrund und hat es zumindest in Belgien geschafft, Ruhe in die Politik zu bringen - Herman Van Rompuy. Nun muss er sein Geschick auf europäischem Parkett beweisen.
Von Katrin Brand, WDR-Hörfunkstudio Brüssel
Dass da etwas auf ihn zurollt, das größer ist als Belgien, muss Herman Van Rompuy schon Mitte September klar geworden sein. Da hatte ihn die französische Zeitung "Le Monde" als künftigen Präsidenten ins Spiel gebracht. Doch belgischen Journalisten gegenüber dementierte er so freundlich wie bestimmt: "Darüber hat noch niemand mit mir gesprochen und ich habe noch mit niemandem darüber gesprochen."
Ob er denn gerne Präsident würde, hakten die Reporter nach. Van Rompuy lachte. "Ich dachte, Sie fragen mich jetzt, ob ich das, was jetzt tue, gerne tue. Das wäre eine viel unangenehmere Frage gewesen."
Schlagfertig und mit viel Witz
Schlagfertig ist er und Witz hat er auch, der 62-jährige Vater von vier Kindern, der leicht zu übersehen und schnell zu unterschätzen ist, weil er so harmlos und unscheinbar daherkommt. Doch der studierte Wirtschaftswissenschaftler aus Brüssel hat über dreißig Jahre politischer Arbeit hinter sich und war immer nah dran an der jeweiligen belgischen Regierung.
In seiner Partei, den belgischen Christdemokraten, gehört er zu den Wertkonservativen und gilt als Intellektueller. Immerhin hat er sechs Bücher zu ethischen Fragen geschrieben und - er dichtet. Als er neulich mit zwei anderen Regierungschefs auf einem Podium saß, verblüffte er die Brüsseler Presse mit einem Haiku. "Das Gedicht geht so, auf niederländisch und unübersetzbar: Drei Wogen rollen zusammen in den Hafen, das Trio ist zu Hause."
Konsens zwischen den Staaten finden
Zu Hause ist der Flame Van Rompuy auch in der französischen Sprache, in der er sein flämisches, gerolltes "r" allerdings nicht aufgeben mag. "Der neue Präsident muss jemand sein, der den Konsens, den Kompromiss zwischen den 27 Staaten suchen muss", so beschrieb er jüngst das Amt, das er nun selbst übernehmen wird. Da ist Van Rompuys bisheriges Spielfeld kleiner, wenn auch womöglich emotional aufgeladener.
Belgiens Regierung flott gemacht
Ende Dezember hatte er die Regierungsgeschäfte in Belgien übernommen, nachdem sein Vorgänger Yves Leterme spektakulär gescheitert war. Van Rompuy, zuletzt Parlamentsvorsitzender, übernahm - und seither herrscht Ruhe in Belgien. Noch. Denn Van Rompuy hat es zwar geschafft, die Regierung an die Arbeit zu bringen. Die großen Probleme zwischen dem niederländischsprachigen Flandern und der französischsprachigen Wallonie hat er ruhen lassen. Das müsste nun sein Nachfolger regeln, wer auch immer es wäre.