Ariel Scharon gestorben Eine Reizfigur der israelischen Politik
Der ehemalige israelische Premierminister Ariel Scharon ist tot. Er starb, nachdem er jahrelang im Koma gelegen hatte. Was der ehemalige General und spätere Politiker anpackte, zog er durch. Die Israelis nannten ihn deswegen "Bulldozer".
Von Carsten Kühntopp, ARD-Hörfunkstudio Tel Aviv
Für viele Palästinenser war er ein Kriegsverbrecher, für viele Israelis ein Kriegsheld. Kein Zweifel: Ariel Scharon war eine Reizfigur. Aus Sicht der meisten Israelis war er derjenige, dem sie fast blind vertrauten, wenn es um die Sicherheit des Staates ging. Die wichtigste Grundlage seiner Politik skizzierte Scharon 2001 in seiner ersten Regierungserklärung: "Unsere Hand ist zum Frieden ausgestreckt, unser Volk sucht den Frieden. Wir wissen, dass Frieden auf beiden Seiten mit schmerzhaften Kompromissen verbunden ist. Wir werden mit den Palästinensern verhandeln, um politische Abkommen zu erzielen, aber nicht unter dem Druck von Terror und Gewalt."
Kaum Diplomatie, dafür Gewalt
Keine Verhandlungen unter Feuer - dieser Richtlinie blieb Scharon treu. Nach seiner Amtsübernahme kamen auch die letzten Kontakte zur palästinensischen Führung zum Erliegen. Bis zuletzt startete Scharon keine einzige diplomatische Initiative zur Beilegung des Konflikts. Auf die Intifada der Palästinenser antwortete er mit Gewalt. Um den Aufstand gegen die Besatzung niederzuschlagen, setzte er selbst Apaches, F-16 und Kampfpanzer ein. "Israel befindet sich im Krieg, im Krieg gegen den Terror. Ein Krieg, der uns aufgezwungen wurde, den wir nicht wollten. Ein Krieg um die Heimat. Alles, was wir für unsere Bemühungen bekommen haben, ist Terror und nochmal Terror."
Ein Mann ohne Grenzen
Scharons Freunde nannten ihn risikofreudig, seine Gegner rücksichtslos, Freund und Feind kannten ihn als jemanden, der keine Grenzen hat und an keiner roten Ampel stoppte. Dies kostete ihn in den 1980er-Jahren das Amt des Verteidigungsministers: Als christliche Milizen unter den Augen israelischer Soldaten Hunderte Palästinenser in den libanesischen Flüchtlingslagern Sabra und Schatila abschlachteten, machte eine israelische Untersuchungskommission Scharon indirekt dafür verantwortlich.
Raus aus dem Gaza-Streifen
Ideologisch zuhause war Scharon in der Siedlungsbewegung, er war ihr Architekt und Baumeister. Umso überraschter waren seine politischen Freunde, als er 2004 plötzlich ankündigte, er wolle die Siedlungen und Armeeposten im Gazastreifen aufgeben.
In Zukunft werde es "keine Juden im Gazastreifen mehr geben", sagte Scharon damals: "Wir haben eine Entscheidung über die Prioritäten getroffen: Wir gehen raus aus dem Gazastreifen - aus einer Gegend, in der es überhaupt keine Chance gibt, dort eine jüdische Mehrheit anzusiedeln. Gleichzeitig richten wir unser Hauptaugenmerk auf die Regionen, die für die Sicherung unserer Existenz am wichtigsten sind: Galiläa, der Negev, der Großraum Jerusalem, die Siedlungsblocks und die Sicherheitszonen. Ich habe den Trennungsplan initiiert, weil er das beste Instrument für eine grundlegende Änderung der nationalen Situation Israels ist."
Der Abzug aus dem Gazastreifen soll es Israel also erlauben, den größten Teil des Westjordanlands auf ewig zu behalten, ohne dass die Palästinenser dabei mitzureden hätten. Scharons Unilateralismus war beliebt in Israel. Kurz nach der Gründung der Kadima-Partei erlitt er einen Schlaganfall und fiel ins Wachkoma. Nach acht Jahren ist er nun gestorben.