Seehofer in Ankara Erst loben, dann reden
Erst einmal für gute Stimmung sorgen, schien das Motto von Bundesinnenminister Seehofer in Ankara. Noch vor der Debatte über den Flüchtlingspakt sagte er der Türkei Unterstützung und Rückhalt zu.
Noch vor Beginn der offiziellen Beratungen in Ankara hat Bundesinnenminister Horst Seehofer der Türkei weitere Unterstützung zugesagt. "Wo immer wir unseren Beitrag leisten können, sind wir dazu bereit", sagte der CSU-Politiker, der zusammen mit einer Delegation in die türkische Hauptstadt gereist war.
Das große Ziel Seehofers ist es vor allem, den Flüchtlingspakt, der 2016 zwischen der EU und der Türkei vereinbart wurde, zu festigen. Er sieht vor, dass die Türkei durch intensiveren Grenzschutz Überfahrten über das Mittelmeer einschränkt. Zudem hat sich die türkische Regierung in dem Abkommen bereit erklärt, syrische Flüchtlinge, die es nach Griechenland schaffen, dort aber kein Asyl bekommen, zurückzunehmen. Für jeden zurückgenommenen Flüchtling will die EU im Gegenzug einen Flüchtling aus der Türkei aufnehmen. Die EU hat der Türkei dafür milliardenschwere Finanzhilfen zugesagt.
Eine Leistung für die "Welthistorie"
Dieses Abkommen wolle er "stärken", betonte Seehofer in Ankara. Die Migration sei eine der "ganz großen Fragen unserer Zeit", die nur gemeinsam gelöst werden könne. Er dankte der türkischen Regierung für ihren Einsatz bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise:
Ohne Eure Solidarität wäre das Migrationsproblem in unserer Region so nicht bewältigt worden. Ein ganz herzliches Dankeschön. Das ist eine Leistung, die auch in die Welthistorie eingehen wird.
Die Türkei hatte in den vergangenen Wochen den Druck auf die EU erhöht. Und auch der türkische Minister für Innere Angelegenheiten, Süleyman Soylu, der Seehofer empfing, wies auf die Gefahr durch den Bürgerkrieg in Syrien und einer drohenden Offensive auf die Rebellenhochburg Idlib hin. Dadurch könnten erneut Hunderttausende Syrer versuchen, in die Türkei zu entkommen. Laut türkischen Behörden befinden sich bereits rund 3,6 Millionen syrische Flüchtlinge in der Türkei. Deutsche Organisationen gehen von bis zu drei Millionen Syrern aus.
Türkei droht, von Pakt abzuweichen
Vor diesem Hintergrund hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan eine sogenannte Sicherheitszone in Nordsyrien ins Gespräch gebracht, um dort Millionen von Flüchtlingen unterzubringen. Außerdem hatte er der EU vorgeworfen, die zugesagte finanzielle Unterstützung käme nicht in der Türkei an. Sollten die EU-Staaten nicht mehr helfen, werde die Türkei "die Türen öffnen" und wieder mehr Flüchtlinge nach Europa lassen. Eine Haltung, die auch Minister Soylu vor den Beratungen mit Seehofer und dem EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos einnahm. Die Türkei hätte ihre Verpflichtungen erfüllt, nun sei die EU an der Reihe.
Schon jetzt kommen wieder mehr Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Griechenland. Allein im September erreichten nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR mehr als 10.000 Migranten die griechische Küste, mehr als in jedem anderen Monat seit Inkraftreten des Flüchtlingspakts. Die griechischen Auffanglager sind längst überfüllt, die Versorgung der Menschen gelingt nur noch mangelhaft.
Auch auf dieses Problem will Seehofer während seiner Reise eingehen. Am Freitag will er nach einem Treffen mit dem türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu nach Athen weiterreisen.
Kein "Kniefall" vor Erdogan
Seehofers Reise - vor allem sein Auftreten in der Türkei - wird auch mit Skepsis betrachtet. So warnte Sevim Dagdelen von der Linkspartei, Seehofer dürfe "keinen neuen Kniefall vor Erdogan" absolvieren. "Die Flüchtlingskrise kann nicht mit immer neuen Milliarden-Schecks und der Verlängerung des EU-Türkei-Deals beantwortet werden", forderte Dagdelen und warnte, wer einem "Erpresser wie Erdogan" nachgebe, müsse mit immer neuen Forderungen der Türkei rechnen.