Regionalwahl in Russland Mit "Smart Voting" gegen den Kreml
Überschattet vom Attentat auf Nawalny findet in Russland die Regionalwahl statt. Sie gilt als Test für die Parlamentswahl im kommenden Jahr. Noch vor seiner Vergiftung hatte der Kremlkritiker zum "Smart Voting" aufgerufen.
Schon bei der Regionalwahl im vergangenen Jahr propagierte Kremlkritiker Alexej Nawalny das sogenannte Smart Voting. Dabei gehe es darum, strategisch klug zu wählen und die Stimme den Politikern zu geben, die die größten Chancen hätten den jeweiligen Kremlkandidaten zu schlagen, so Nawalny.
"Eine lange Kampagne"
"Es wird kein schneller Prozess sein, es ist eine lange Kampagne. Ich werde Sie verrückt machen mit Anrufen, sich auf der Website zu registrieren. Ich versichere Ihnen, wenn Sie immer noch daran interessiert sind, an den Wahlen teilzunehmen, und Sie möchten, dass Ihre Stimme etwas entscheidet, müssen Sie klug abstimmen, wie es unser System vorschlägt", so Nawalny.
Eine eigene "Smart Voting App" wurde von Nawalny gestartet - wahlkreisbezogen gibt diese Empfehlungen, welche Oppositionskandidaten am ehesten die Vertreter der Regierungspartei Geeintes Russland verdrängen könnten.
"Wir haben eine Website, auf der Sie sich registrieren und Teilnehmer von 'Smart Voting' werden müssen. Sie nennen das Haus, in dem Sie wohnen, und wir wissen dann, in welchem Bezirk Sie leben und welche Kandidaten es dort gibt. Vor jeder Wahl teilen wir Ihnen auf der Grundlage soziologischer Erhebungen früherer Wahlen und anderer Faktoren mit, wie es am besten geht, gegen Geeintes Russland zu stimmen", erklärte Nawalny.
Opposition will so Einfluss gewinnen
Auch vor dieser Regionalwahl appellierte Nawalny an die Wähler, zu den Urnen zu gehen. Über Wahlsiege in den Städten und Regionen könne die Opposition an Einfluss gewinnen und in Zukunft für freie und faire Wahlen sorgen.
"Smart Voting" sei eine clevere Reaktion auf den Umstand, dass Kandidaten der Opposition häufig wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten von der Wahl ausgeschlossen würden, meint der russische Politologe Kirill Rogow. "Nawalny und sein Team sagen: 'Nun, Sie lassen uns nicht zur Wahl zu, aber wir haben genug Einfluss auf die Menschen, dass sich das, ohne einmal persönlich an den Wahlen teilzunehmen, auf die Ergebnisse auswirkt. Weil wir unsere Anhänger kontrollieren können, und sie werden das so tun, wie wir es ihnen sagen'", so der kremlkritische Politologe Rogow.
Im vergangenen Jahr fuhr die Regierungspartei Geeintes Russland bei den Wahlen zum Stadtparlament in Moskau herbe Verluste ein. Traditionell ist die Wahlbeteiligung äußerst niedrig. Wem es da gelingt, seine Wähler zu mobilisieren, hat gute Chancen, die Wahl für sich zu entscheiden.
Knappes Rennen in Nowosibirsk?
Wie etwa in Nowosibirsk, der drittgrößten Stadt Russlands. Hier hatte Nawalny unmittelbar vor seiner Vergiftung für sein Team Wahlkampf geführt. Es wird ein knappes Rennen erwartet. Zwei mächtige Parteien dominieren dort bislang - der Gouverneur wird von der Kremlpartei Geeintes Russland und der Bürgermeister von der kommunistischen Partei gestellt.
Der regierungsfreundliche Politologe Sergej Danilin rät der Regierungspartei Geeintes Russland dazu, nicht mit Kandidaten unter falscher Flagge anzutreten, indem sie sich als scheinbar unabhängige Kandidaten ausgeben, wie es in der Vergangenheit oft geschehen ist. "Die Wahlen haben gezeigt, dass die Kaderpolitik des Kremls absolut adäquat ist und den Ansprüchen der Zeit entspricht. Da wo Geeintes Russland mit ihren Kandidaten erhobenen Hauptes und offen angetreten ist, ohne einen Hehl daraus zu machen - da war das für die Kandidaten ein großes Plus", sagt er.
Beobachter sind gespannt darauf, inwieweit der Anschlag auf Nawalny die diesjährigen Regionalwahlen überschattet. Mit ersten aussagekräftigen Ergebnissen wird im Laufe des Montags gerechnet.