Deutsche Astronauten erinnern sich an US-Raumfahrtprogramm "Mensch, träumst du das jetzt nur?"
Mit den US-Space-Shuttles sind auch Deutsche geflogen. Der erste war Ulf Merbold, es folgten unter anderen Thomas Reiter und Hans Schlegel. Schlegel war der letzte Deutsche an Bord einer US-Weltraumfähre, Reiter hat von allen Europäern die längste Zeit im All verbracht. Die beiden erinnern sich.
Von Anna Engelke, NDR-Hörfunkstudio Washington
Die Reise von Thomas Reiter ins All ist schon fünf Jahre her, aber dieses einzigartige Erlebnis - der Shuttle-Flug und die 166 Tage auf der Internationalen Raumstation ISS - diese Zeit in der Schwerelosigkeit vergisst Reiter nicht: "Das sind Eindrücke, die einen wirklich ein Leben lang begleiten. Das ist eine Erfahrung, die so weit weg von dem normalen menschlichen Erfahrungshorizont liegt, dass sie tief in einem drinsteckt..."
Am beeindruckendsten für den heute 53jährigen - sein Außenbordeinsatz damals auf der ISS. Das unwirklichste Gefühl hat er damals gehabt, als er in seinem weißen Raumanzug mit dem Rücken zur ISS schwebte - vor sich nur das Weltall und unseren blauen Planeten: "Man denkt sich: Mensch, träumst du das jetzt nur? Man muss sich mal kneifen, aber man ist tatschlich dort oben, in fast 400 Kilometern Höhe, fliegt mit 28.000 Stundenkilometern über die Kontinente und wünscht sich, das über Minuten oder Stunden genießen zu können. Aber leider ist dafür keine Zeit. Man kann mal eine Minute so ein bisschen durchschnaufen, denn diese Außenbordeinsätze sind auch körperlich sehr anstrengend. Aber dann geht es weiter mit der Arbeit", erinnert sich Reiter.
Ein "einzigartiges Gefühl"
Sechs bis sieben Stunden dauert so ein Außenbordeinsatz, aber es ist eine Anstrengung, die es mehr als wert ist, meint auch Hans Schlegel, der bislang letzte Deutsche im All: "Das ist auf jeden Fall ein einzigartiges Gefühl. Man hat einzigartige Ausblicke."
Schlegel ist heute 59 Jahre alt und trainiert europäische Kollegen. ESA-Astronauten, die bis zum Jahr 2020 zur Internationalen Raumstation fliegen sollen, um dort wissenschaftliche Experimente durchzuführen. Schlegel wird am Freitag in Florida dabei sein, wenn mit der Atlantis das letzte Shuttle startet: "Das ist Wehmut, aber auch die Hoffnung auf ein neueres, besseres System. Sojus ist definitiv sicherer", meint er.
Sojus-Kapseln lösen die US-Space-Shuttles ab
Die russischen Sojus-Kapseln werden die westlichen Astronauten künftig zur ISS bringen, bis US-Firmen in vier, fünf Jahren einen neuen Raumtransporter entwickelt haben. Die Sojus sei mit den in Rente gehenden Shuttle aber nur bedingt zu vergleichen, meint Reiter. Zusätzlich zu den drei Astronauten ist in der Sojus Platz für gerade mal 50 Kilo Gepäck. Daraus folgt: "Wir werden diese hervorragende Möglichkeit, 20 Tonnen an Nutzlast in den Orbit und vor allen Dingen wieder zurück zu bringen, erst einmal verlieren", sagt Reiter.
Auch deswegen fällt der Abschied vom Shuttle-Programm so schwer - selbst wenn jeder um die Tücken der veralteten 70er-Jahre-Technik in den US-Weltraumfähren weiß: "Also, es ist schon das Ende einer phantastischen Ära und deshalb kann wohl jeder nachvollziehen, dass alle, die mit dem Shuttles zu tun hatten, sei es als Astronauten oder als Techniker, schon sehr traurig sind."