Schottische Regierungschefin in Brüssel Sturgeons heikler Besuch bei der EU
Die Schotten wollen mehrheitlich in der EU bleiben - allen voran ihre separatistische Regierungschefin Sturgeon. Folgerichtig stattete sie Brüssel einen Besuch ab. Doch ihre Mission war voller Fallstricke.
Wie behutsam die EU im Umgang mit Schottland vorzugehen versucht, dafür ist der Besuch von Nicola Sturgeon beim Kommissionspräsidenten das beste Beispiel: Dass Jean-Claude Juncker die schottische Regierungschefin überhaupt empfangen würde, teilte die Kommission erst wenige Stunden vor der Unterredung mit. Wie aus gut informierten Kreisen verlautet, wollte man abwarten, bis der britische Premier und EU-Gipfel-Gast David Cameron aus Brüssel wieder abgereist war. Um ihn nicht unnötig zu verärgern.
Was ihre Gespräche in der EU-Hauptstadt angeht, so stellte Sturgeon hinterher klar, sie reise "ermutigt und optimistisch" wieder nach Hause. Sie habe im EU-Parlament und der Kommission "viele freundliche Menschen" getroffen, "die ihre Unterstützung ausgedrückt haben und Schottland viel Glück gewünscht haben bei dem Unterfangen, sein Verhältnis zur EU zu bewahren".
Das heiße aber nicht, dass es automatisch einen einfachen Weg für Schottland "heraus aus dieser Lage gibt, in der wir uns befinden". Sturgeon ließ gleichzeitig keinen Zweifel daran, dass Schottland aus ihrer Sicht in der EU bleiben sollte.
Balsam und Risiko für die EU
Für die Europäische Union wirkt es nach dem britischen Referendums-Schock wie Balsam, dass sich die Schotten nun so stark für die Union interessieren. Doch gleichzeitig muss sie aufpassen: Keinesfalls darf nun der Eindruck entstehen, dass sie das Vereinigte Königreich zerstückeln und diesem nun Schottland entreißen wolle.
Deshalb beeilte sich Juncker auch, gemeinsam mit EU-Ratspräsident Donald Tusk nach dem EU-Gipfel klarzustellen: "Wir haben nicht die Absicht - weder Donald noch ich - uns in innerbritische Angelegenheiten einzumischen. Das ist nicht unsere Aufgabe." So ist auch zu erklären, dass es nach dem Treffen Junckers mit Sturgeon keine gemeinsame Pressekonferenz gab.
Selbst Martin Schulz bleibt wortkarg
Und auch der sonst selten um ein Wort verlegene EU-Parlamentschef Martin Schulz ließ nach seiner Unterhaltung mit Sturgeon lediglich mitteilen, man "treffe sich regelmäßig mit Regionalpolitkern". Das war’s. Die EU hat ein offenes Ohr für die Sorgen der Schotten, so die Botschaft. Aber irgendwelche Zusagen oder gar Garantien für die Zukunft kann und will niemand in der EU ihnen derzeit geben.
"Was ich gut finde, ist dass Frau Sturgeon jetzt in keiner Weise irgendetwas eskalieren will. Sondern, dass sie sehr nüchtern hier die schottischen Interessen auf den Tisch legt", sagte die Fraktionschefin der Grünen im EU-Parlament, Rebecca Harms, dem ARD-Hörfunk nach ihrem Gespräch mit der Regierungschefin. Neben der Hauptstadt London war es ja vor allem der hohe Norden Großbritanniens gewesen, der für einen Verbleib in der EU stimmte.
Weder die EU noch die Schotten wissen derzeit allerdings, wohin die Verhandlungen über den britischen Ausstieg aus der Europäischen Union führen werden. Es steht ja noch nicht einmal fest, wann die überhaupt beginnen. Die EU wird jedenfalls weiter den Eindruck zu vermeiden suchen, sie bandele bereits hinter Londons Rücken mit Schottland an, noch bevor die Scheidung mit dem Vereinigten Königreich vollzogen ist. Sympathien für Schottland gibt es in Brüssel ohne Zweifel - aber Garantien, dass es Teil der EU wird bleiben können nicht.