Nordsyrien Kurden rüsten sich gegen Angriff
Alles deutet darauf hin, dass der türkische Einmarsch in Nordsyrien unmittelbar bevorsteht. Die kurdische Verwaltung der Region rief die Bevölkerung nun zur Generalmobilmachung auf. Russland fürchtet einen Flächenbrand.
Angesichts des drohenden Einmarsches türkischer Truppen in den Norden Syriens hat die kurdische Zivilverwaltung der Region die Bevölkerung zur Generalmobilmachung aufgerufen. "Wir rufen unser Volk aus allen ethnischen Gruppen auf, sich in die Gebiete an der Grenze zur Türkei zu bewegen, um Widerstand während dieser sensiblen historischen Zeit zu leisten", erklärte die autonome Selbstverwaltung. Sie rief zugleich die Kurden in Syrien und im Ausland auf, gegen die Pläne der Türkei auf die Straße zu gehen.
Der Angriff der türkischen Armee auf die Grenzregion scheint unmittelbar bevorzustehen. Der türkische Kommunikationsdirektor des türkischen Präsidenten, Fahrettin Altun, schrieb in einem Gastbeitrag für die "Washington Post" der Einmarsch werde "in Kürze" stattfinden. Sein Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte schon am Wochenende erklärt, die Truppen stünden bereit, "heute oder morgen" gegen kurdische Einheiten hinter der Grenze vorzugehen.
Kurdische Quellen in Nordsyrien sagten nach einer Meldung der Nachrichtenagentur dpa, es sei bisher ruhig. Sie wüssten aber von weiteren türkischen Verstärkungen an der Grenze. Auch die mit der Türkei verbündeten syrischen Rebellen verlegten ihre Truppen in das betroffene Gebiet.
Die Türkei verlegt ihre Truppen im Grenzgebiet - bei einigen Anwohnern löst das Jubel aus.
Lawrow fürchtet Flächenbrand
International hält die Kritik an dem Kurswechsel der USA, der den Weg für die türkische Offensive freimacht, an. Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte, die USA spielten ein "sehr gefährliches Spiel", indem sie widersprüchliche Signale zum US-Truppenabzug nach Syrien schickten. Das habe die Kurden "extrem beunruhigt". Verwirrung und Angst könnten "die ganze Region in Brand setzen".
Zugleich warf der Minister den USA vor, sie hätten in den Kurdengebieten eine staatsähnliche Struktur aufgebaut. Russland unterstützt im Syrien-Krieg Präsident Bashar al-Assad, auf dessen Sturz die Türkei lange hingearbeitet hatte.
Iran startet Manöver
Der Iran wiederum kündigte überraschend eine Militärübung an der Grenze zur Türkei an. Einem staatlichen Medienbericht soll das Manöver in Kuschchi in der Provinz West-Aserbaidschjan stattfinden. Wie viele Soldaten daran teilnehmen sollen, wurde nicht bekannt. Der Iran steht in dem Konflikt ebenfalls eng an der Seite von Machthaber Assad und lehnt eine türkische Invasion ab.
Kritik kam auch aus Deutschland. Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen bezeichnete ein militärisches Eingreifen der Türkei als "eindeutig völkerrechtswidrig". Er warnte vor einer neuen Kriegsfront, die zu "Destabilisierung" in der Region, "Unberechenbarkeit" und "Flucht" führen werde. Zugleich hielt Röttgen den USA vor, die Kurden in Nordsyrien, die "am Boden gegen den IS gekämpft haben, wie eine heiße Kartoffel fallengelassen" zu haben.
Türkei nimmt kurdische Milizen ins Visier
Die türkische Offensive soll sich gegen kurdische Truppen östlich des Flusses Euphrat richten. Die Region wird seit Jahren von der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) und ihrem militärischen Arm, den Volksverteidigungseinheiten (YPG), kontrolliert. Die Türkei hält die Miliz für eine Terrorgruppe und betrachtet ihre Präsenz an ihrer Grenze als Bedrohung, da sie eng mit der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) verbunden ist, die seit 1984 gegen den türkischen Staat kämpft. Seit 2016 ist Ankara bereits zwei Mal gegen sie vorgegangen.
Die USA hatten die YPG dagegen bislang als Verbündeten im Kampf gegen die Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" behandelt und sie seit Jahren mit Waffen und Spezialkräften unterstützt. Nach einem Telefonat mit Erdogan hatte Trump am Sonntag angekündigt, die US-Spezialkräfte aus dem Gebiet an der türkischen Grenze abzuziehen. Die Entscheidung hatte auch in den USA und bei Parteifreunden Trumps scharfe Kritik hervorgerufen.