Krieg in Syrien Die Profiteure des Assad-Regimes
Der Krieg hat Syriens Wirtschaft ruiniert. Doch um Machthaber Assad gedeiht eine Clique von Geschäftsleuten. Sie verdienen bestens an Immobiliengeschäften. Das Regime räumt ihnen großzügig Privilegien ein.
Der Krieg in Syrien ist noch nicht vorbei und schon wird über den Wiederaufbau diskutiert. Experten schätzen die Kosten auf 300 bis 350 Milliarden Euro. Das Budget für den Wiederaufbau im syrischen Haushalt liegt in diesem Jahr bei 100 Millionen Euro. Diese Zahl macht klar, wie desolat die wirtschaftliche Lage in Syrien nach acht Jahren Krieg ist.
"Die Situation für die Mehrheit der Menschen in Syrien ist katastrophal", sagt Joseph Daher, Wissenschaftler an der Universität Lausanne. Die Armutsrate liege bei über 90 Prozent. Fast 60 Prozent der Einwohner lebt in bitterster Armut: Das heißt, ohne sicheren Zugang zu Essen, Trinkwasser, Gesundheitsversorgung oder häuslichem Schutz.
Keinen Zugang zu internationalen Märkten
In vielen Städten zeigt sich ein Bild der Zerstörung, Häuser liegen in Trümmern, Straßen, Strom und Wasserleitungen funktionieren nur eingeschränkt oder gar nicht. Der größte Wirtschaftszweig ist die Landwirtschaft. Dabei haben viele Bauern kriegsbedingt ihre Existenzgrundlage verloren, so das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen.
Zerstörte Häuser in Rakka: Der syrischen Wirtschaft mangelt es an Arbeitskräften. Die sind entweder in die Armee eingezogen worden oder mussten fliehen.
In den ersten fünf Jahren nach Ausbruch des Krieges in Syrien gab es demnach Ernteausfälle und Einbußen in der Viehhaltung in Höhe von 13 Milliarden Euro. Dass die Landwirtschaft trotzdem den größten Anteil am Bruttoinlandsprodukt hat, liegt daran, dass die anderen Bereiche, Fertigung und Dienstleistungen, noch viel massivere Einbrüche erlitten haben, sagt Daher.
Besonders hoch seien die Herausforderungen für den Produktionsbereich. Potenzielle Arbeitskräfte wurden in die Armee eingezogen, sind verhaftet oder getötet worden. Viele seien ins Exil geflüchtet. Die Betriebe ächzten unter der massiven Geldentwertung, hohen Produktionskosten und einem kleiner werdenden Absatzmarkt. Überdies seien sie von internationalen Märkten ausgeschlossen. Seit ein paar Monaten verschärfe die Ölkrise weiter die Lage. Von den einstmals 130.000 Produktionsstätten Syriens ist gerade noch die Hälfte übrig geblieben. Sie wurden zerstört oder ihre Besitzer sind ins Ausland gegangen.
Ein neuer Typ Geschäftsmann
Die Inflation ist gigantisch. Bekam man vor dem Krieg einen US-Dollar für 45 syrische Pfund, muss man heute 600 syrische Pfund zahlen. Doch wie immer im Krieg gibt es einen Bereich, der rasant wächst: Profiteure, die neue Business-Elite im Handel. Experte Daher nennt diese neuen Geschäftsleute "crony capitalists".
Darunter versteht er kapitalistische Günstlinge, die in naher Verbindung zum Regime und den Geheimdiensten stehen. "Diese neuen Businessmen sind Händler. Manche kontrollieren ein Monopol und können damit die Preise in Syrien nach oben treiben", erklärt der Wissenschaftler. Es sind Geschäftsleute, die das schnelle Geld suchen: Sie investieren überall dort, wo Gewinne ohne hohen Aufwand erzielt werden können: in Immobilien, in Dienstleistungen und Handel.
Einer von ihnen: Samer Foz, der inzwischen wohl reichste Mann Syriens. Der Immobilien-Tycoon war ins Rampenlicht gerückt, als er das Hotel "Vier Jahreszeiten" in Damaskus einem saudischen Prinzen abkaufte, der ins Gefängnis musste. 2019 belegten die EU und die USA Samer Foz und zehn weitere syrische Geschäftsleute mit Sanktionen. Sie sollen ihre Beziehungen zu Machthaber Assad genutzt haben. Im Gegenzug finanzierten sie das Regime. Foz wird vorgeworfen, auf Grundstücken, die das Regime von Oppositionellen konfisziert hatte, Luxusimmobilien aufgebaut zu haben. Er soll Grundnahrungsmittel sowohl an die Terrororganisation IS als auch die kurdische PYD verkauft haben.
Das Hotel Vierjahreszeiten in Damaskus
Rückkehrer könnten die Lage verschärfen
"Der Krieg hat kommerzielle, spekulative Geschäftsmodelle verfestigt", konstatiert Daher. Es seien kurzfristige Investitionen in Handel, aber auch in Immobilien und Dienstleistungen. Das Nachsehen habe die herstellende Wirtschaft, also Landwirtschaft und Industrie. Eine Rückkehr syrischer Flüchtlinge, so Daher, würde das Land vor enorme wirtschaftliche Probleme stellen.