Unterschriftenaktion bei EU-Kommissar Dalli Lange Tiertransporte rufen Tierschützer auf den Plan
Mehr als 40 Millionen Tiere werden jährlich durch Europa transportiert. Manchmal sind sie tagelang in ein anderes EU-Land unterwegs. Um dies zu ändern, machen Aktivisten und Europaabgeordnete mit einer Unterschriftenaktion Druck auf den zuständigen Kommissar Dalli. Doch der muss gegen die Industrielobby ankämpfen.
Von Birgit Schmeitzner, BR-Hörfunkstudio Brüssel
Gesundheitskommissar John Dalli begrüßte den Einsatz. Die Unterschriften sehe er nicht als Hürde, sondern als Unterstützung für die anstehende Überarbeitung des Tierschutzes in der Europäischen Union.
Und auch wenn Dalli nicht versprechen konnte, dass dann eine Obergrenze für die Länge von Tiertransporten bei acht Stunden eingezogen wird, gab der der Initiator der Aktion, der dänische Europaparlamentarier Dan Jorgensen, sich zuversichtlich. Der Kommissar nehme den Willen von einer Million Europäern "sehr ernst", das sei einen Beifall wert.
Nach Angaben der EU-Kommission werden jährlich mehr als 40 Millionen lebende Tiere quer durch Europa transportiert. Rinder, immer mehr Schweine, Schafe, Ziegen und Pferde. Oft ist die Fahrt zum Schlachthof vergleichsweise kurz, aber wenn die Fahrt in andere EU-Staaten geht, können Tiere durchaus länger, auch tagelang unterwegs sein.
Nach den geltenden EU-Regeln ist das erlaubt, wenn jeweils nach acht Stunden eine Pause eingelegt wird. Kontrolliert wird diese Vorschrift allerdings nur lückenhaft.
Tierärztin Frigga Wirths vom Deutschen Tierschutzbund beklagt, dass die Tiere grundsätzlich viel zu eng in die Laster gepfercht werden. "Sie dürfen bei Temperaturen transportiert werden, die unzumutbar sind. Zwischen null und 35 Grad sind in den Lastern zulässig und auch das wird nicht immer eingehalten", sagt Wirths. "Dazu kommen die langen Transportzeiten, in denen die Tiere nicht versorgt und getränkt werden. Und sie leiden unter den Fahrtbewegungen, dem Geschaukel, den Bremsbewegungen."
Solche Tiertransporte können tagelang dauern.
Lange Wege wegen Wirtschaftsinteressen?
Der Europaabgeordnete Karl-Heinz Florenz (CDU), selbst Landwirt, stellt dabei die Frage: Warum werden die Tiere überhaupt so weit gefahren? Und er beantwortet seine Frage mit "Lobbyinteressen". Und zwar von denjenigen, die mit Tieren Geld verdienen: Speditionen, Schlachthöfe, verarbeitende Industrie.
In Deutschland etwa wurden Florenz zufolge viele kleine Betriebe geschlossen, es gebe nur noch sechs bis sieben große Schlachthöfe. "Die haben natürlich ein großes Interesse, ihre Kapazitäten auszuschöpfen. Und deswegen karren sie die arme Tiere über zehn, zwölf Stunden zum Beispiel nach Bayern oder Hannover. Wir haben ein paar Infrastrukturprobleme, wir haben es übertrieben. Und da sollte man ansetzen", sagt Florenz.
Was kann jeder tun?
Der Europaparlamentarier hält EU-Kommissar Dalli zugute, dass er etwas ändern will. Doch das werde angesichts der vielen Teilaspekte dauern, eine Gesetzesvorlage sei frühestens 2014 zu erwarten.
Eine Möglichkeit, die Lage der Tiere schneller zu verbessern, sieht Florenz dennoch. Er schlägt vor, auf Supermarktketten einzuwirken. Sie dazu zu bewegen, mit Fleisch und Schinken aus einem geschlossenen System zu werben. Einem System, bei dem die Tiere in einer Region gezüchtet, gemästet und geschlachtet werden. Das würde dann auch die Verbraucher in die Verantwortung nehmen, dass sie zu solchen Produkten greifen und nicht zur Billigware.