Kim Jong Un, Machthaber von Nordkorea, und Donald Trump, Präsident der USA, sitzen am Tisch vor Ihren Flaggen.
Interview

Gescheitertes Trump-Kim-Treffen "Der Gipfel kam zu früh"

Stand: 28.02.2019 16:50 Uhr

Die Zeit war noch nicht reif für den zweiten Gipfel zwischen Trump und Kim, meint Experte Ballbach im tagesschau.de-Interview. Um Maximalforderungen zu überwinden, brauche es Verhandlungen ohne Scheinwerferlicht.

tagesschau.de: Hat Sie das ergebnislose Ende des Gipfeltreffens überrascht?

Eric Ballbach: Ich war in der Tat überrascht. Nicht nur angesichts der Tatsache, dass im Vorfeld bereits sehr viel über konkrete Punkte spekuliert wurde, wie die Eröffnung eines Verbindungsbüros oder Deklarationen zur Beendigung des Koreakrieges. Sondern auch, weil normalerweise diese Art von Gipfeltreffen dann stattfinden, wenn ein solches Abkommen bereits ausverhandelt ist. Es ist dann eher ein symbolischer Akt, dass die Staatsführer sich treffen und dieses Abkommen dann gemeinsam unterzeichnen.

Zur Person

Eric Ballbach ist Direktor der "Research Unit Nordkorea und internationale Sicherheit" am Institut für Koreastudien der FU Berlin. Seit 2017 ist er auch Gastwissenschaftler der Stiftung Wissenschaft und Politik.

tagesschau.de: Also kam der Gipfel schlichtweg zu früh?

Ballbach: Ja. Ich denke, dass auf Arbeitsebene schlichtweg nicht genug Zeit war, die Details für ein solches Abkommen im Vorfeld auszuhandeln. Zwar sind solche Gipfeltreffen wichtig, wenn man mit einem Land wie Nordkorea verhandelt, um das Mandat von ganz oben zu bekommen. Aber die Arbeitsebene der Verhandlungen ist mindestens genauso wichtig. Und es ist nicht die Aufgabe und wahrscheinlich auch nicht die Expertise von Donald Trump und Kim Jong Un, in die Details eines Denuklearisierungsabkommens einzusteigen.

"Beide Seiten beharren noch auf Maximalforderungen"

tagesschau.de: Was hätte es an Zugeständnissen von beiden Seiten gebraucht, um einen Erfolg zu erzielen?

Ballbach: Laut Trump ist es ja daran gescheitert, dass Nordkorea die Anlage in Yongbyon zur Schließung angeboten hat und im Gegenzug die Aufhebung der gesamten Sanktionen erreichen wollte. Das wäre, wenn es stimmt, natürlich eine absolute Maximalforderung, auf die USA so nicht eingehen können.

Stattdessen wäre es wichtig gewesen, kurzfristige Gewinne für beide Seiten herauszuarbeiten. Beispielsweise die Eröffnung von Verbindungsbüros, denn das hätte auch die Institutionalisierung des Dialogs zwischen Nordkorea und den USA zur Folge gehabt. Aber offenbar beharren beide Seiten noch zu sehr auf Maximalforderungen. Obwohl die Arbeitsebene das eigentlich längst besser weiß.

Aber das Scheitern zeigt auch nochmal, wie komplex die Thematik ist. Wir können nicht über Denuklearisierung sprechen, ohne über einen dauerhaften Frieden in Korea zu sprechen und ohne über Vertrauensbildung und vor allem auch eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Nordkorea und den USA zu sprechen. Das hängt alles zusammen.

"Ich glaube nicht, dass Nordkorea den Prozess beendet"

tagesschau.de: Bedeutet das Scheitern des Gipfels einen großen Rückschlag?

Ballbach: Kurzfristig betrachtet ist es ein Rückschlag, vor allem weil es schwierig werden wird, dieses zuletzt relativ positive Momentum aufrechtzuerhalten. Man kann jetzt eben nicht mit Schwung in neue Verhandlungen auf Arbeitsebene gehen, sondern da ist durchaus ein Dämpfer. Ob es langfristig ein Problem darstellt, wird sich erst noch zeigen. Aber die ersten Reaktionen insbesondere von Trump zeigen ja, dass der Prozess noch nicht am Ende ist.

tagesschau.de: Glauben Sie nicht, dass die nordkoreanische Seite durch den abrupten Abbruch des Gipfels sehr verstimmt sein dürfte?

Ballbach: Um das einschätzen zu können, müssen wir warten, was morgen die nordkoreanische Presse schreibt. Die hatte in den vergangenen Tagen doch sehr breit über über das Gipfeltreffen berichtet und häufig auch von einem historischen Treffen gesprochen.

Ich glaube aber auch die nordkoreanische Seite ist sich bewusst, dass ein Abbruch des Prozesses nicht im eigenen Interesse liegt. Die Nordkoreaner setzen ihren Hauptfokus momentan auf die wirtschaftliche Entwicklung. Komplett aus diesem Prozess auszuscheren würde sie da nicht weiterbringen. Die Nordkoreaner müssen mittelfristig darauf abzielen, zumindest eine Abschwächung der internationalen Sanktionen zu erreichen. Und die wird es schlichtweg nicht geben, wenn man diesen Prozess jetzt beendet.

"Mir ist das lieber als Bashing"

tagesschau.de: Trump war auf seiner Pressekonferenz jedenfalls um sehr freundliche Rhetorik bemüht. Er sprach von "Wärme" in seiner Beziehung zu Kim Jong Un und sagte "Wir mögen uns einfach". Wieso tut er das?

Ballbach: Auf der einen Seite ist das typische Trump-Rhetorik. Auf der anderen Seite darf man nicht unterschätzen, welchen Einfluss die soziale Komponente in solchen Gesprächen hat. Natürlich ist es sehr ungewöhnlich, einen amerikanischen Präsidenten diese Worte sagen zu hören, wenn es um den nordkoreanischen Machthaber geht. Aber mir ist das lieber als das Bashing, das es vorher gab. Das hätte fatale Folgen, denn in Nordkorea ist die Beleidigung der politischen Führung sozusagen das Kapitalverbrechen Nummer eins.

Wir müssen uns die Frage stellen, was ist die Alternative zu dem Prozess, den wir gegenwärtig beobachten? Und um es plakativ auszudrücken: Die Alternative zum Dialog ist Krieg in Ostasien. Das ist sicherlich nicht im Interesse irgendeines Anrainerstaates und der internationalen Gemeinschaft. Insofern sollten die Bemühungen sich darauf stützen, diesen Prozess voranzutreiben, aber sich eben auch nicht von den Nordkoreanern ausspielen zu lassen.

"Menschenrechtsfrage im richtigen Kontext anbringen"

tagesschau.de: Aber darf ein amerikanischer Präsident derart einen Diktator hofieren, der gezielte Tötungen Andersdenkender vornehmen lässt und Straf- und Arbeitslager unterhält?

Ballbach: Natürlich darf das Thema Menschenrechte in Nordkorea auf keinen Fall vergessen oder ausgeblendet werden, nur um einen kurzfristigen Deal zu bekommen. Aber es gibt den richtigen oder den falschen Kontext, um dieses Thema auf die Tagesordnung zu setzen. Und ein Gipfeltreffen zwischen Kim Jong Un und Donald Trump wäre sicherlich nicht der richtige Kontext. Denn für die Nordkoreaner gilt ganz grundsätzlich: Wenn die Menschenrechtsfrage als eine Art Waffe gegen sie eingesetzt wird, dann lassen sie den sprichwörtlichen Rollladen runter und dann ist jeglicher Dialog am Ende. Das kann schlichtweg nicht unser Ziel sein.

Das heißt, wir brauchen kreative Diplomatie und den richtigen Rahmen, um das Thema Menschenrechte mit Nordkorea zu diskutieren. Es geht auch darum, einen solchen Prozess nicht zu überlasten.

tagesschau.de: Wie wird es jetzt weitergehen? Ist eine Einigung zwischen Nordkorea und den USA jetzt sehr weit in die Ferne gerückt?

Ballbach: Es war ja von Anfang an nicht auf eine baldige Einigung im Sinne von einer umfassenden Denuklearisierung zu hoffen. Das ist ein komplexer Prozess. Wir sprechen hier von Jahren, die das in Anspruch nehmen wird. Insofern wird es jetzt erstmal darum gehen, dieses verlorene positive Momentum schrittweise wieder aufzubauen. Und abseits der großen Scheinwerfer zu verhandeln, um sich Stück für Stück an ein neues Abkommen heranzutasten.

Das Interview führte Sandra Stalinski, tagesschau.de

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 28. Februar 2019 um 16:15 Uhr.