Umstrittener Investorenschutz bei TTIP Einen Schritt vor, dann einen zurück

Stand: 28.09.2014 14:18 Uhr

Es sah zunächst nach einem klaren Richtungswechsel aus: Gegenüber EU-Parlamentariern hatte die designierte Handelskommissarin Malmström eine wesentliche Kursänderung beim Freihandelsabkommen TTIP in Aussicht gestellt. Nun rudert Malmström zurück.

Von Anna-Mareike Krause, tagesschau.de

Der Unterschied besteht in nur einem Satz. Im Vorfeld ihrer Anhörung vor dem EU-Parlament beantworten die designierten EU-Kommissare schriftlich Fragen der Abgeordneten. Die designierte Handelskommissarin Cecilia Malmström wurde unter anderem befragt zu dem geplanten umstrittenen Handelsabkommen zwischen den USA und der EU, TTIP.

In einer ersten Version schreibt Malmström: "Keine Begrenzung der Zuständigkeit von Gerichten in den EU-Mitgliedsstaaten wird in diesem Zusammenhang akzeptiert werden; das bedeutet eindeutig, dass keine Investor-Staat-Streitbeteiligung Teil dieser Vereinbarung wird." Ein unmissverständlicher Satz, der einen klaren Kurswechsel bei den umstrittenen Schiedsgerichten bedeutet hätte.

Malmström rudert zurück

Nun rudert Malmström zurück. Einen Tag vor der Anhörung der Schwedin vor dem EU-Handelsausschuss verschickte dessen Sekretariat eine überarbeitete Version des Dokumentes per Mail an die Mitglieder. In der ersten Version sei ein "Fehler", heißt es in der Mail, die tagesschau.de vorliegt.

In der neuen Version fehlt ausgerechnet der oben genannte Satz - also derjenige, der die unabhängigen Schiedsstellen ausschließt. Auch für die Ausschussmitglieder kommt diese Überarbeitung überraschend. "Das ist ein absolut unüblicher Vorgang, dass die Antworten auf diese Fragebögen nachträglich noch verändert werden", sagte die grüne Europaabgeordnete Ska Keller. "Das wird in der Anhörung sicher thematisiert werden." Keller bedauerte den Rückzug Malmströms: "Ein Positionswechsel in dieser Frage ist dringend notwendig."

Der Vorsitzende des EU-Handelsausschuss, Bernd Lange (SPD), zeigte sich dennoch optimistisch, dass die neue EU-Kommission in den TTIP-Verhandlungen einen neuen Kurs einschlägt. "Auch ohne die explizite Absage an die Schiedsgerichte ist das Papier ein deutlicher Unterschied zu der Linie der bisherigen Kommission", sagte Lange. Die Sozialdemokraten lehnen wie die Grünen ein Abkommen mit Schutzklauseln für Konzerne ab.

ISDS ist ein Kernpunkt der Kritiker

Das geplante TTIP-Abkommen mit dem Wirtschaftsriesen USA ist für viele Kritiker ein rotes Tuch. Sie befürchten die Absenkung von Verbraucher- und Umweltschutzstandards in Europa. Die Schiedsgerichte sind ein Kernpunkt der TTIP-Kritiker. Dieser bisher geplante Teil des Freihandelsabkommens TTIP soll es ermöglichen, dass Konzerne in Partnerschaftsländern nicht vor Gerichten den im Abkommen vereinbarten Investitionsschutz einfordern, sondern vor unabhängigen Schiedsstellen. "Investor-Staat-Streitbeilegung" heißt die umstrittene Maßnahme offiziell, kurz: ISDS für die englische Bezeichnung "Investor-to-State Dispute Settlement".

Gegner warnen, Konzerne könnten auf der Basis von ISDS-Klauseln die EU oder einzelne Staaten vor internationale Schiedsgerichte bringen, ohne vor ordentliche Gerichte ziehen zu müssen. Zudem sind solche Handelsschiedsgerichte meist nicht mit hauptamtlichen Richtern besetzt, sondern mit Anwälten. Die bisherige Kommission von Präsident José Manuel Barroso hatte diese Vorwürfe stets zurückgewiesen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 27. September 2014 um 01:10 Uhr.