Ansprache des Präsidenten Erdogan erklärt 15. Juli zum "Gedenktag für Märtyrer"
Der Sieg über den Putschversuch in der Türkei soll künftig mit einem Feiertag geehrt werden. Präsident Erdogan kündigte an, der Tag des Gedenkens solle die Erinnerung an den demokratischen Widerstand lebendig halten. In der EU wächst dagegen die Kritik an Erdogan.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat den 15. Juli zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Putschversuchs erklärt. Der neue Feiertag werde dafür sorgen, "dass künftige Generationen niemals all die heldenhaften Zivilisten, Polizisten und Soldaten vergessen werden, die am 15. Juli demokratischen Widerstand geleistet haben", sagte Erdogan in der Nacht in einer kurzen Ansprache in Ankara.
Zugleich deutete er an, dass der erst am Mittwoch verhängte Ausnahmezustand über die Frist von drei Monaten hinaus verlängert werden könnte. Hierfür gebe es keine Hindernisse, wenn es sich als nötig erweisen sollte, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Nach Erdogans Angaben wurden bislang 10.410 Verdächtige nach dem Putschversuch festgenommen. 4060 seien in Untersuchungshaft genommen worden.
In Istanbul folgten erneut Tausende Anhänger des Präsidenten einem Appell, weiter gegen die Putschisten zu demonstrieren. Erdogan hatte dazu sämtliche Bürger des Landes per SMS aufgerufen.
Die internationale Kritik wird lauter
International stößt das massive Vorgehen der türkischen Regierung nach dem Putschversuch auf immer größere Kritik. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sagte in Washington, das Verhalten der Regierung in Ankara sei in Teilen nicht annehmbar. Zwar stehe die Europäische Union klar hinter den demokratischen Institutionen des Landes. Dies sei der türkischen Regierung auch deutlich gemacht worden. Allerdings sei "das, was wir besonders in den Bereichen der Medien, Universitäten, der Justiz sehen, nicht akzeptabel".
Österreichs Außenminister Sebastian Kurz sieht die EU-Beitrittsperspektive der Türkei nicht nur durch die mögliche Wiedereinführung der Todesstrafe gefährdet. Es gehe auch um die Frage von Willkürherrschaft und die Frage des Umgangs mit politisch Andersdenkenden, sagte Kurz im ORF. "Das sind Bereiche, in denen wir genauso rote Linien festsetzen müssen wie bei der Todesstrafe", forderte Kurz eine entschlossene Haltung der EU.
Stopp für EU-Gelder?
Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer forderte in der "Süddeutschen Zeitung" die Milliardenzahlungen der EU an die Türkei sofort einzufrieren. Das Land erhält derzeit eine sogenannte Heranführungshilfe an die EU in Milliardenhöhe. Mit der Heranführungshilfe werden Länder unterstützt, deren Beitrittsverfahren läuft. Damit soll die Anpassung an die Standards der EU erleichtert werden. Angesichts der aktuellen Lage bezeichnete der CSU-Politiker die Zahlungen als Hohn. Bei Religionsfreiheit, Pressefreiheit und rechtsstaatlichen Grundsätzen gebe es eher "einen Kontinentaldrift der Türkei". Deshalb sei jetzt eine Überprüfung der Hilfen nötig.
Laut "SZ" hat die Türkei zwischen dem Start der Hilfe 2007 und dem Jahr 2013 von der EU 4,8 Milliarden Euro erhalten, der deutsche Anteil daran betrug fast eine Milliarde Euro. Für den Zeitraum 2014-2020 hat die EU weitere 4,45 Milliarden Euro für die Türkei eingeplant. Förderschwerpunkte sollen dabei laut EU unter anderen "Demokratie, Zivilgesellschaft, Rechtsstaatlichkeit" sein.
Lammert erinnert an Mindeststandards
Auch Bundestagspräsident Norbert Lammert sieht die zunehmende Einschränkung von Grundrechten in der Türkei mit Sorge. "Die Türkei entfernt sich immer weiter von den europäischen Mindeststandards, auf die sie sich als Mitglied des Europarats ausdrücklich verpflichtet hat", sagte der CDU-Politiker der "Schwäbischen Zeitung".
Man müsse damit rechnen, dass die seit Monaten zu beobachtende Einschränkung von Grundrechten, wie Pressefreiheit bis hin zu Immunitätsrechten von Abgeordneten, fortgesetzt werde. Besorgniserregend seien vor allem die Massenverhaftungen und Amtserhebungen, "die erkennbar lange vorbereitet gewesen sein müssen", sagte Lammert.