Beziehungen EU-Türkei Entspannungssignale nach der Eiszeit
Die Europäische Union erwägt nach monatelanger diplomatischer Eiszeit ein neues Spitzentreffen mit der Türkei. Die Rolle Bulgariens bei diesem Signal der Entspannung ist nicht zu unterschätzen.
Es wäre vermutlich verfrüht, von einem echten "Tauwetter-Trend" zu sprechen. Doch dass sich das Verhältnis Ankara-Berlin und damit auch die Beziehung Ankara-Brüssel zuletzt vorsichtig entkrampft haben, ist unübersehbar.
Besser reden als anschweigen
Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt dabei, dass mit Bulgarien gerade ein unmittelbarer Nachbar der Türkei den EU-Vorsitz übernahm und bereits damit begonnen hat, auf ein besseres Verhältnis zu drängen: "Dass die Türkei sich an das Flüchtlingsabkommen hält, ist extrem wichtig für Europa", mahnte Bulgariens Regierungschef Boiko Borissow. "Vergessen wir nicht, dass nach Unterzeichnung des Deals der Flüchtlingsstrom stark nachgelassen hat."
Die EU will mit dem türkischen Präsidenten Erdogan wieder ins Gespräch kommen.
Wie EU-Offizielle dem ARD-Studio Brüssel bestätigten, gibt es nun auch wieder Überlegungen für ein neues Spitzentreffen mit dem türkischen Präsidenten Erdogan. Auch wenn Einzelheiten noch unklar seien. Die "Welt" hatte von einem für Ende März geplanten Treffen berichtet. Der EU-Abgeordnete Daniel Caspary jedenfalls würde eine solche Spitzenbegegnung begrüßen: "Wir haben viele gemeinsame Herausforderungen: Wir müssen Stabilität und Sicherheit in der ganzen Region Mittelmeer, Türkei, Nahost schaffen. Diese Sprachlosigkeit, die wir in letzter Zeit hatten, muss aufhören. Man kann Probleme viel besser lösen, wenn man - auch strittig - im Gespräch ist, als wenn man sich anschweigt und nebeneinander herwurstelt."
Kein roter Teppich für Erdogan
Aus EU-Sicht macht es durchaus Sinn, die jüngsten Entspannungssignale aus Ankara und die Haftentlassung von Menschenrechtlern nicht völlig unbeantwortet zu lassen. Nur will man in Brüssel und anderen europäischen Hauptstädten ganz sicher auch nicht ins andere Extrem verfallen und so tun, als sei nun auf einmal wieder alles in bester Ordnung. So ist denn derzeit überhaupt nicht absehbar, dass die EU als Belohnung zum Beispiel die Ausweitung der Zollunion wieder ins Gespräch bringt – nichts sähe der türkische Präsident Erdogan aber lieber als das Schleifen von Handelshemmnissen: Der CDU-Europa-Abgeordnete Caspary sagt dazu: "Man sollte den zweiten Schritt nicht vor dem ersten tun. Jetzt geht es erstmal darum, dass man wieder miteinander spricht."
Kein Fortschritt ohne Freilassung von Journalisten in der Türkei, betont EU-Kommissionspräsident Juncker.
Sollte es denn tatsächlich bald zu einem EU-Türkei-Treffen kommen, was die Kommission auf Nachfrage zunächst nicht bestätigen wollte, würden an dieser Begegnung wohl eher nicht Merkel, Macron und Co, also sämtliche Staats- und Regierungschefs der EU teilnehmen. Den leuchtend-roten Teppich, den man Erdogan noch vor zwei Jahren auszurollen bereit war, dürfte die EU vorerst in der Requisitenkammer lassen.
Beitrittspläne bleiben auf Eis
Dafür ist im Jahr 2017 zu viel passiert, was die Beziehungen hat erkalten lassen: "Wir werden sehen, welche Fortschritte die Türkei in den kommenden Monaten macht. Aber es wird keinen Fortschritt geben, solange Journalisten in türkischen Gefängnissen sitzen", bekräftigte Kommissionschef Jean-Claude Juncker.
Die Türkei und die EU bemühen sich zwar unübersehbar um eine behutsame Wiederannäherung. Was aber nichts daran ändert, dass die Beitrittsgespräche faktisch weiter auf Eis liegen. Überlegungen, dieses Eis zu schmelzen und den Prozess wiederzubeleben, gibt derzeit niemand wirklich eine Chance.