Verhandlungen über EU-Beitritt Gespräche mit der Türkei auf der Kippe
Wie geht's weiter zwischen der EU und der Türkei? Ob diese Woche wirklich die Beitrittsgespräche fortgesetzt werden, entscheidet sich spätestens morgen. Der türkische Europaminister sprach bereits von "anderen Optionen" für sein Land.
In den nächsten Tagen entscheidet die Europäische Union, ob die Beitrittsgespräche mit der Türkei fortgesetzt werden. Die Aussichten auf eine Wiederbelebung der eingefrorenen EU-Verhandlungen mit der Türkei sind aber gestiegen. Bei einem Treffen in Luxemburg schlugen mehrere Außenminister der EU-Staaten moderate Töne gegenüber Ankara an.
Deutschland hatte zuletzt Bedenken geäußert, die Niederlande ebenfalls. Gegner eines türkischen EU-Beitritts sehen sich nach dem gewaltsamen Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte gegen Demonstranten in ihren Vorbehalten bestätigt.
Vor allem zwischen Deutschland und der Türkei war es daher zu diplomatischen Spannungen gekommen. Die Botschafter waren wechselseitig einbestellt worden.
"Andere Optionen"
Eine Blockade der Verhandlungen durch die Bundesregierung will die Türkei offenbar nicht einfach hinnehmen. "Wir arbeiten an einer Antwort", sagte Europaminister Egemen Bagis der "Süddeutschen Zeitung". "Nur so viel: Die Türkei hat auch noch andere Optionen." EU und die Türkei brauchten sich gegenseitig, sagte Bagis. "Es ist nicht fair, die Eröffnung des neuen Verhandlungskapitels, das vor allem ein technisches ist, wegen politischer Zwänge zu blockieren." Äußerungen von Bagis am vergangenen Donnerstag, die wie ein Ultimatum an Kanzlerin Angela Merkel geklungen hatten, relativierte er.
Bagis bekräftigte nun, er sei "komplett falsch verstanden" worden. "Ich habe Kanzlerin Merkel nicht gedroht. Ich war nur traurig zu hören, dass Deutschland die Blockade des nächsten Verhandlungskapitels betreibt, obwohl wir alle geforderten Voraussetzungen erfüllen", sagte er.
SPD und FDP für Verhandlungen
Anders als die CDU-Chefin will die SPD die Verhandlungen mit der Türkei fortsetzen. "Die Demonstranten in Istanbul und anderswo beeindrucken uns alle. Diese Menschen wollen sicherlich mit der Türkei in die EU", sagte Generalsekretärin Angela Nahles der Zeitung "Welt". "Es wäre ein Armutszeugnis für Europa, wenn wir die Tür nun zuschlagen würden." Sie räumte aber ein, dass das "viel zu harte" Vorgehen Ankaras gegen Demonstranten eine schwere Hypothek sei. "Die türkische Regierung muss sich nun eindeutig demokratisch positionieren, wenn sie den Fortgang der Verhandlungen nicht gefährden will."
Ähnlich äußerte sich Bundesaußenminister Guido Westerwelle. Der "Gesprächsfaden" mit Ankara dürfe nicht abreißen. "Wir dürfen nicht zusehen, dass der Gesprächsfaden mit der Türkei abreißt oder ausgedünnt wird", sagte er in der ARD. Es sei wichtig, "dass wir einen vernünftigen Kompromiss in dieser Woche finden".
Dagegen unterstützte der nordrhein-westfälische CDU-Landesvorsitzende Armin Laschet die Position der Kanzlerin: "Ich bin vor allem dagegen, dass sich die Außenminister in dieser Woche treffen und Entscheidungen fällen, so als sei nichts geschehen", sagte er im Deutschlandfunk. "Und es wäre, glaube ich, ein Schlag ins Gesicht auch der vielen Zehntausend Demonstranten, wenn man in Brüssel jetzt so täte, als wäre nichts gewesen und einfach neue Kapitel der Regionalpolitik so eröffnet, wie man das bisher geplant hat."