Türkische Offensive Mit aller Härte gegen die Kurden
Die Türkei geht aus der Luft und mit Bodentruppen gegen Kurden im Norden Syriens vor. Protest dagegen duldet die Regierung nicht. Nun tagt der Weltsicherheitsrat.
Seit Sonntagvormittag läuft offiziell die türkische Bodenoffensive gegen die kurdischen Volksverteidigungseinheiten im Gebiet um die Stadt Afrin in Nordsyrien. Bereits einen Tag zuvor griffen Flieger aus der Luft an. Mehr als 100 Mal flogen türkische Jets Angriffe gegen Stellungen der kurdischen YPG. Die meisten Ziele seien zerstört worden, meldete der Generalstab in Ankara - darunter auch ein Munitionslager.
Neun Dörfer brachte das türkische Militär bis zum Abend unter türkische Kontrolle. In die andere Richtung flogen Raketen von syrischen Stellungen auf grenznahe türkische Städte. Sie verletzten mehrere Dutzend Menschen.
Türkische Transporter mit einem Panzer nahe der Grenze zu Syrien. Unterstützt werden die türkischen Soldaten von der Freien Syrischen Armee - und von Bewohnern mancher Dörfer im Norden Syriens.
Jubel für die "befreundete türkische Armee"
Unterstützt werden die türkischen Soldaten von der Freien Syrischen Armee - und von Bewohnern der benachbarten Region Azaz, die den Panzern bei der Fahrt durch ihr Dorf zujubelten. "Wir sind auf den Straßen, um die Freie Syrische Armee und die befreundete türkische Armee zu unterstützen in ihrem Vorhaben, die von der Terrorgruppe PKK besetzten arabischen Gebiete zurückzuerobern", sagt Mohammed Malek aus Azaz. "Und um Afrin von diesen Separatisten und der syrischen SDF zu befreien."
Es seien die kurdischen Kräfte gewesen, die Hundertausende arabische Bewohner in die Flüchtlingslager getrieben hätten, sagt ein anderer Mann, der jubelnd am Straßenrand steht.
Die Türkei wolle den Einsatz so schnell wie möglich abschließen, sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan vor Anhängern in Bursa in der Westtürkei. "Nun geht es darum, Afrin seinen wahren Bewohnern zurückzugeben", so der Staatschef. Die "syrischen Brüder und Schwestern", die sich zurzeit als Flüchtlinge in der Türkei befänden, sollten "sobald wie möglich wieder in ihr eigenes Land zurückkehren können".
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in Bursa im Westen des Landes. "Nun geht es darum, Afrin seinen wahren Bewohnern zurückzugeben."
Frankreich beantragte Dringlichkeitssitzung
Die Weltgemeinschaft zeigte sich besorgt. Frankreich beantragte eine Dringlichkeitssitzung des Weltsicherheitsrats. Davon konnte auch der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu seinen französischen Kollegen Jean-Yves Le Drian bei einem Telefongespräch nicht abbringen. Cavusoglu sagte: "Ich habe dem französischen Außenminister erklärt, was wir in Afrin tun, und ihm versichert, dass wir nur die Terroristen im Visier haben und starke Rücksicht auf die Zivilbevölkerung nehmen." Drian sei ebenfalls sehr besorgt über die Angriffe des syrischen Regimes in der Region Idlib, so Cavusoglu. "Deshalb wollen sie den Weltsicherheitsrat einschalten."
Von Polizei in Kampfmontur weggeschleift
Die Reaktionen der türkischen Bevölkerung auf die sogenannte "Operation Olivenzweig" sind unterschiedlich. Menschen, die einem Aufruf der prokurdischen Partei HDP gefolgt waren, in Istanbul gegen den Einmarsch zu demonstrieren, wurden von einem großen Polizeiaufgebot daran gehindert. "Nein zum Krieg", riefen einige Demonstranten. Viele wurden von Polizeibeamten in Kampfmontur weggeschleift.
Die rüde Behandlung kam nicht überraschend. Wer Erdogan in Bursa gehört hatte, musste vorgewarnt gewesen sein. Der Präsident sagte: "Wir leiten gerade im Geiste der nationalen Einheit eine Operation gegen jene, die aus dem Ausland unsere Landesgrenzen bedrohen. Und ihr? Ihr versucht, uns von innen zu schlagen. So, wo wir die einen aus ihren Höhlen in den Bergen herausgeholt haben, so werden wir auch euch niemals die Plätze und Straßen überlassen."
Explosion bei Afrin in Syrien. Mehr als 100 Mal flogen türkische Jets Angriffe gegen Stellungen der kurdischen YPG.
Kritik vor allem von Kurden
Es sind vor allem Kurden, die den Einsatz in Afrin kritisieren. Ein Mann in der Kurdenmetropole Diyarbakir im Osten des Landes sagte: "Die Weltgemeinschaft steht in der Schuld der Kurden. Denn sie waren es, die ihren Kopf im Kampf gegen die Terrormiliz 'Islamischer Staat' hingehalten haben." Die großen Mächte sollten dem Mann zufolge nun Druck auf die Türkei ausüben. "Zum Beispiel in Form einer Resolution der Vereinten Nationen", sagte er. "Ich will, dass die türkischen Angriffe aufhören."
Mit dem militärischen Eingreifen der Türkei ist nicht nur die Lage in Syrien noch komplizierter geworden. Auch die innere Stabilität der Türkei steht damit erneut auf dem Prüfstand.