Experte zur UN-Vollversammlung Friedensstifter auch in Zeiten von Trump?
Heute beginnt die UN-Vollversammlung. Doch wird das Gremium seinem Auftrag als Friedensstifter noch gerecht? tagesschau24 hat dazu mit Detlef Dzembritzki von der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen gesprochen.
tagesschau24: Ist denn die Aufgabe des Friedensstiftens aus Ihrer Sicht in den letzten Jahrzehnten gut gelungen?
Detlef Dzembritzki: Das ist die große Herausforderung. Wenn man nach Syrien blickt, dann erfüllt einen das natürlich mit großer Bitterkeit. Wenn man den Jemen sieht, wie dort im Grunde ein Völkermord stattfindet, dann sind das alles Dinge, die einen nicht befriedigen können. Aber dennoch muss man sich diesen Herausforderungen stellen.
Wir als Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V. müssen zum Beispiel viel stärker den UN-Sondergesandten, Staffan de Mistura, unterstützen, der in Syrien in unermüdlicher Weise immer wieder versucht die Fäden aufzunehmen, die Konfliktparteien zusammenzubringen.
Andereseits: Wenn die Vereinten Nationen nicht da wären, wäre es für die Millionen von Flüchtlingen noch unerträglicher. Hier greift das Hilfswerk der Vereinten Nationen und setzt sich für diese Menschen ein, so dass sie wenigstens eine minimale Lebenschance haben und dem Kriegsgewirr entkommen können.
UN in der Krise?
tagesschau24: Donald Trumps Leitsatz "America First" - hat das die UN in eine Krise gestürzt?
Dzembritzki: Ich denke, dass der US-Präsident schon eine besondere Herausforderung für die Vereinten Nationen ist. Er ist eigentlich das Gegenbeispiel von dem, was die Vereinten Nationen als Ziel ausgegeben haben: nämlich multilateral zusammenzuarbeiten und um Interessensausgleich bemüht zu sein.
Das heißt, dass wir unsere Interessen nicht auf dem Rücken anderer wahrnehmen. Wir müssen auch sehen, dass unser Wohlstand nur möglich ist, indem wir eine enge Zusammenarbeit haben mit Ländern, die uns zum Beispiel Rohstoffe zur Verfügung stellen, mit Ländern, die mit uns Handel treiben. All das ist global zu organisieren und bedarf globaler Verantwortung.
Trump ist als Präsident der USA nicht bereit, sich dieser Herausforderung und dieser Verantwortung zu stellen. Er verkürzt seine Verantwortung ausschließlich auf seine Interessen und man muss beinahe sagen, auf die parteipolitischen Interessen, die er hat.
Detlef Dzembritzki ist Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V.. Der Verein informiert über alle wesentlichen Entwicklungen und Ergebnisse der Arbeit der Vereinten Nationen. Dzembritzki war von 1998 bis 2009 Abgeordneter des Deutschen Bundestages. Ab 2005 war er Vorsitzender des Unterausschusses Vereinte Nationen des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages.
Wenn wir uns die USA anschauen, dann sehen wir dort viele Initiativen, die immer wieder deutlich machen, dass sie bereit sind, in dieser Weltgemeinschaft mitzuwirken. Betrachten wir zum Beispiel den Staat Kalifornien, wie dieser sich bemüht, dort die Klimaziele zu erreichen und sich abzusetzen von der Trump-Politik.
Wir dürfen die Vereinigten Staaten nicht in einen Topf werfen. Ich denke, dass Trump ein wirklich schlechtes Beispiel für Multilateralismus ist
Die Vollversammlung ist das zentrale Beratungsorgan der Vereinten Nationen - eine Art UN-Parlament. Darin vertreten sind alle 193 Mitgliedsstaaten. Das Gremium wählt unter anderem die nicht-ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates und ernennt auf dessen Empfehlung den UN-Generalsekretär.
Alle Mitgliedsstaaten haben je eine Stimme. Die Vollversammlung kann auch aktiv werden, wenn der Sicherheitsrat durch das Veto eines ständigen Mitglieds blockiert ist, kann im Gegensatz zum Rat aber keine Sanktionen verhängen. Außer in Haushaltsfragen sind Resolutionen der Vollversammlung völkerrechtlich nicht bindend.
Die Sitzungsperiode der Vollversammlung beginnt jedes Jahr im September - und kurz danach steht der Höhepunkt an: die Generaldebatte. Eine Woche lang legen alle Staaten - oft vertreten durch ihre Staats- oder Regierungschefs - ihre Vorstellungen von der Lösung der wichtigsten Probleme der Welt dar.
tagesschau24: Wo sehen Sie die UN in zehn Jahren. Wird Sie wieder ihre frühere Stärke haben?
Dzembritzki: Ich hoffe es. Generalsekretär António Guterres ist sehr stark bemüht, in seiner strategischen Arbeit multilaterale Strukturen zurückzugewinnen. Er betont aber auch, dass im Augenblick nicht die Stunde des Multilateralismus ist. Trump ist da schon eine gefährliche Figur.
Aber andererseits sind wir ja alternativlos. Wir müssen uns darum kümmern dass diese Zusammenarbeit weltweit funktioniert. Sie funktioniert ja auch in vielen Schaltstellen, die wir schon als selbstverständlich ansehen. Nehmen Sie die Bekämpfung der großen Krankheiten. Wir werden uns jetzt wieder bei dieser UN-Konferenz einsetzen, Tuberkulose zu bekämpfen.
Es gab die schwierige Situation mit Ebola. Wenn die Vereinten Nationen nicht gewesen wären, wäre die Hilfe nicht in dieser Art und Weise geschehen. Wir sind weltweit darauf angewiesen, dass die globale Zusammenarbeit funktioniert und wir nicht in einen Strudel von Problemen und Schwierigkeiten geraten, sondern dass man gemeinsam die Herausforderungen bewältigt.
Das Interview führte Michail Paweletz für tagesschau24. Wir haben es für die Verschriftlichung gekürzt. Das Video beinhaltet das komplette Interview.