Zehntausende Ungarn fürchten Abbau von Demokratie Massenhafter Protest gegen die neue Verfassung
Mit Gesängen, Pfeifkonzerten und Transparenten haben Zehntausende Ungarn gegen die neue Verfassung des Landes demonstriert. Sie bangen um die Demokratie und werfen Ministerpräsident Orban autokratische Bestrebungen vor. Die Staatsführung ließ zeitgleich zur Demonstration die neue Verfassung feiern.
Etwa 30.000 Ungarn haben gegen die Regierung und die Einführung einer neuen Verfassung demonstriert. In Sprechchören forderte die Menge den Rücktritt des rechts-konservativen Ministerpräsidenten Viktor Orban. Anhänger der Opposition sowie Bürgerrechtsaktivisten warfen der Regierung vor, die Gewaltenteilung zu missachten. So wolle Orban mithilfe kürzlich verabschiedeter Gesetze seine Kontrolle über die Justiz, die Zentralbank, religiöse Gruppen und die Medien ausbauen, hieß es aus den Reihen der Protestbewegung.
Der ungarische Regierungschef nahm zur gleichen Zeit im Opernhaus mit seinem Kabinett und anderen staatlichen Würdenträgern an einem Festakt für die neue Verfassung teil, die am Neujahrstag in Kraft trat. Die Demonstranten versuchten, sich mit Gesängen, Pfeifkonzerten und Transparenten vor dem Gebäude der Staatsoper Gehör zu verschaffen.
"Stätte der Heuchelei"
In einer Rede vor den Demonstranten kritisierte der ehemalige Chef der Medienbehörde, Laszlo Majtenyi, den ungarischen Regierungschef Orban. "Der Ministerpräsident hat sich mit der Ablegung seines Amtseids zum Schutz der Verfassung verpflichtet, nun hat er sie allerdings über Bord geworfen. Heute Abend ist die Oper eine Stätte der Heuchelei und die Straße ein Ort rechtsstaatlicher Tugenden."
Mehrere Redner betonten bei der Demonstration, dass die Ungarn ihr Land weiterhin als Republik betrachten würden. Denn mit dem neuen Grundgesetz änderte sich auch der Landesname: Statt "Republik Ungarn" heißt das Land nunmehr einfach "Ungarn".
Ein Instrument zum Abbau der Demokratie
Kritiker sehen in der Verfassung, die von der Zweidrittelmehrheit der Regierungspartei FIDESZ (Bund Junger Demokraten) im Parlament gebilligt wurde, ein Instrument zum Abbau der Demokratie in Ungarn. Das neue Grundgesetz löst die Verfassung von 1989 ab, die die demokratischen Grundrechte sicherte und Ungarn unter den westlichen Demokratien verankerte.
In der neuen Verfassung sind zwar die Grundrechte auch deklariert. Doch sind die Kompetenzen des Verfassungsgerichts stark beschnitten und die Unabhängigkeit der Justiz eingeschränkt. Wichtige Funktionsträger, die von der Regierung Orban ernannt wurden, sind für mehrere Legislaturperioden in ihren Ämtern "einbetoniert".
Auch die EU, die USA sowie internationale Aufsichtsbehörden hatten die jüngsten Gesetzesreformen in Ungarn kritisiert. Orban hatte im April 2010 die Macht übernommen und seitdem den politischen Zugriff auf die Medien verstärkt, Befugnisse des Verfassungsgerichts beschnitten, Pensionsfonds verstaatlicht, ein Kontrollgremium für den öffentlichen Haushalt aufgelöst und Kritikern zufolge die Kompetenzen des Notenbank-Gouverneurs beschnitten.