Hintergrund

Diplomatie im syrischen Bürgerkrieg Zwischen Blockaden und Resolutionen

Stand: 01.04.2019 03:21 Uhr

Seit mehr als zwei Jahren tobt in Syrien der Bürgerkrieg. Obwohl bereits Zehntausende Menschen ums Leben gekommen sind, bleibt der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen tief gespalten und praktisch handlungsunfähig.

Von Patrick Gensing, tagesschau.de

Die diplomatischen Mühlen mahlen langsam - bekanntermaßen. Im Fall Syrien bewegt sich seit mehr als zwei Jahren besonders wenig. Denn der UN-Sicherheitsrat ist tief gespalten, Russland und China haben bereits mehrfach von ihrem Vetorecht gebraucht gemacht und so scharfe Resolutionen gegen Syrien verhindert.

Die USA, EU und Arabische Liga versuchten daher, durch Sanktionen, Einreiseverbote und Embargos den Druck auf Machthaber Baschar al Assad zu erhöhen. Internationale Beobachter sollten die mutmaßlichen Verbrechen in Syrien untersuchen. Die UN-Menschenrechtskommissarin sprach von Folter und Vergewaltigungen und empfahl, den Internationalen Strafgerichtshof anzurufen.

Derweil kletterte die Zahl der Todesopfer immer weiter. Mittlerweile geht die UNO von mehr als 100.000 Toten aus, Millionen Menschen sind demnach auf der Flucht. Bereits mehrfach soll Giftgas in dem Bürgerkrieg eingesetzt worden sein. Seit einem Angriff am 21. August 2013 in Vororten von Damaskus, bei dem offenbar Hunderte Menschen getötet wurden, diskutiert die internationale Gemeinschaft über eine mögliche Intervention in Syrien.

Die meisten Staaten pochen auf ein entsprechendes Mandat durch die Vereinten Nationen, doch dies scheint angesichts der Rückendeckung, die Assad durch Russland und China erhält, unwahrscheinlich.

tagesschau.de hat die diplomatischen Initiativen und Positionen seit dem Frühjahr 2011 zusammengestellt.

2011: Brutales Vorgehen gegen Proteste in Syrien

März 2011: Der arabische Frühling zeigt sich in Syrien: Oppositionelle gehen auf die Straßen und fordern Reformen. Sicherheitskräfte der Regierung gehen heftig gegen die Proteste vor.

April 2011: UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilt die Gewalt gegen friedliche Demonstranten auf das Schärfste. Durch den Einsatz von Panzern und Scharfschützen seien "Hunderte von Menschen getötet und verletzt" worden. Ein von Deutschen, Briten, Franzosen und Portugiesen eingebrachter Entwurf für eine offizielle Erklärung findet nicht die Zustimmung des Gremiums. USA und Europäer sprechen sich für Sanktionen aus, Russland und China lehnen dies ab. Die USA verhängen Sanktionen wegen fortgesetzter Menschenrechtsverletzungen.

Mai 2011: Auch die EU einigt sich auf Sanktionen: Dazu gehört ein Einreiseverbot gegen "rund ein Dutzend" Vertreter der Regierung in Damaskus. Sofern die mit Einreiseverbot belegten Personen Vermögen in der EU haben, wird dieses Geld eingefroren. Außerdem verhängt die EU ein Waffenembargo.

August 2011: Der UN-Sicherheitsrat verurteilt in einer Erklärung die Menschenrechtsverletzungen und Gewaltanwendungen gegen Zivilisten in Syrien. Konsequenzen hat das UN-Papier nicht. Die EU setzt indes 20 weitere Namen von Personen und Unternehmen auf eine schwarze Liste, damit sind 35 Personen mit einem Einreiseverbot belegt.

Der UN-Menschenrechtsrat listet in einem neuen Bericht zahlreiche Menschenrechtsverletzungen in Syrien auf und spricht von mutmaßlichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Mindestens 1900 Zivilisten seien getötet worden. Die UNO will eine humanitäre Mission schicken, um mögliche Menschenrechtsverletzungen durch Assads Truppen untersuchen zu lassen. Die USA und die EU fordern erstmals den Rücktritt Assads, Russland weist dies zurück.

September 2011: Wegen der Gewalt beschließt nach den USA auch die EU ein Verbot von Öleinfuhren aus Syrien. Auf Drängen Italiens wird das Embargo erst zum 15. November in Kraft treten. Erst dann laufe ein Vertrag des italienischen Ölkonzerns ENI mit Syrien aus. Das Embargo umfasst sowohl ein Import- als auch ein Transportverbot für syrisches Rohöl und Rohölprodukte. Auch finanzielle Dienstleistungen und Versicherungen für Ölgeschäfte seitens europäischer Banken seien damit nicht mehr zulässig. Rund 95 Prozent der syrischen Ölexporte wurden in die EU verkauft. Unter den EU-Ländern war Deutschland der größte Abnehmer.

Oktober 2011: Im UN-Sicherheitsrat ist eine Resolution gegen Syrien gescheitert. Russland und China legen gegen den Entwurf, der maßgeblich von Frankreich, Großbritannien, Deutschland und Portugal erarbeitet wurde, ihr Veto ein. Die Resolution war zuvor mehrfach abgeschwächt worden. So deutete der Text nur noch an, dass der syrischen Führung Sanktionen drohen könnten, falls die Proteste der Opposition weiter mit Gewalt niedergeschlagen würden.

November 2011: Die Arabische Liga schließt Syrien aus. Das wichtigste Oppositionsbündnis, die Nationale Koalition, erhält später den Sitz.

Dezember 2011: Die UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay unterrichtet den Rat davon, dass das gewaltsame Vorgehen der Regierung Assad bereits mehr als 5000 Menschenleben in der Zivilbevölkerung gefordert habe. Pillay wirft den Sicherheitskräften zudem Folter und Vergewaltigungen vor. Sie empfiehlt dem Sicherheitsrat, den Internationalen Strafgerichtshof anzurufen.

Russland legt einen Resolutionsentwurf vor. Darin wird die Gewalt aller Beteiligten in dem Land verurteilt. Im Sicherheitsrat wird der russische Entwurf positiv aufgenommen. Mehreren Ländern geht er aber nicht weit genug, weil er keine Sanktionen vorsieht. Diese wären "kontraproduktiv", begründet der russische Botschafter die Haltung seines Landes.

2012: Massaker in Syrien, Blockade im Sicherheitsrat

Januar 2012: Die Arabische Liga stoppt nach wenigen Wochen ihre Beobachtermission in Syrien. Grund für die Entscheidung sei die erneute Zunahme der Gewalt, heißt es. Die Regierung Assad habe die Versprechen, die blutige Niederschlagung der Proteste zu beenden, nicht gehalten, sondern noch mehr Militär eingesetzt. Die Opfer der Gewalt seien "unschuldige Bürger", erklärt die Arabische Liga.

Februar 2012: Die Arabische Liga wendet sich an den UN-Sicherheitsrat. Nach dem Scheitern der Beobachtermission sollen Blauhelm-Soldaten in das Land geschickt werden, fordert die Liga. Zudem beschließt sie, alle diplomatischen Kontakte zu dem Assad-Regime abzubrechen. Doch Russland und China lehnen weiterhin eine UN-Resolution ab.

Die EU bringt weitere Sanktionen auf den Weg. Sie richten sich insbesondere gegen den syrischen Finanzsektor.

April 2012: Der UN-Sicherheitsrat billigt die Entsendung einer ersten Beobachtermission. Die Mitglieder des Gremiums nehmen Resolution 2042 einstimmig an - allerdings mit Verzögerung, weil Moskau einen eigenen Entwurf eingebracht hatte, dessen Maßnahmen weniger restriktiv gewesen wären. Die Beobachtermission soll die Einhaltung der Waffenruhe in Syrien zwischen Regierungstruppen und Rebellen überwachen. Das Papier ist die erste UN-Resolution zu Syrien seit Beginn der Proteste gegen die Staatsführung vor 13 Monaten.

Mai 2012: Der UN-Sicherheitsrat kritisiert nach dem Massaker in der syrischen Stadt Al Hula den Einsatz syrischen Militärs scharf: Bei dem Angriff in Wohngebieten habe es "mehrfachen Artillerie- und Panzerbeschuss von den Regierungstruppen" gegeben. Diese "abscheuliche Gewalt gegen die Zivilbevölkerung" verurteilte der Rat "mit den stärksten möglichen Worten". Die Formulierung der Diplomaten enthält jedoch keine direkte Verurteilung der syrischen Regierung. Dies wäre am Widerstand Russlands gescheitert. Der russische UN-Botschafter sagt, das "tragische Ereignis" müsse verurteilt werden. Allerdings sei der Beweis nicht erbracht, dass die syrische Regierung für die Toten verantwortlich sei.

Juli 2012: Bereits zum dritten Mal legen China und Russland ein Veto gegen eine Syrien-Resolution des UN-Sicherheitsrates ein. Die Zukunft der Beobachtermission UNSMIS ist damit ungewiss. Sondergesandter Kofi Annan, die USA und unter anderem Deutschland kritisierten das Veto heftig. Bei den Kämpfen wurden laut UNO bislang etwa 16.000 Menschen getötet.

September 2012: Der pensionierte Spitzendiplomat Lakhdar Brahimi ist neuer Sondergesandter für Syrien. Sein Vorgänger Kofi Annan stellte sein Amt zur Verfügung, da er in dem Konflikt nicht vermitteln konnte. Bundesaußenminister Guido Westerwelle macht China und Russland für Annans Entscheidung mitverantwortlich: "Es ist deutlich, dass Annan sein Amt auch wegen der Blockadehaltung im Sicherheitsrat niederlegt, die Russland und China zu verantworten haben."

2013: Debatte über Militärschlag ohne UN-Mandat

April 2013: Die USA haben laut Verteidigungsminister Hagel konkrete Anhaltspunkte für den Einsatz von Chemiewaffen in Syrien. Demnach soll das Assad-Regime in mindestens zwei Fällen das Giftgas Sarin eingesetzt haben.

Mai 2013: Die UN-Vollversammlung verurteilt die Gewalt in Syrien. In dem Papier wird die Regierung von Assad für den zunehmenden Einsatz schwerer Waffen scharf kritisiert. 107 der 178 anwesenden Staaten stimmen für eine Resolution. Zwölf Staaten sind dagegen, darunter Russland, China, Kuba und Weißrussland. Die Entschließungen der Vollversammlung sind nicht bindend.

Das EU-Waffenembargo gegen Syrien gilt nicht mehr für die Opposition in dem Land.

Juni 2013: Frankreich und Großbritannien sehen es als erwiesen an, dass das syrische Regime Giftgas eingesetzt hat. Die UN-Untersuchungskommission zu Syrien teilt mit, dass es glaubwürdige Hinweise für den Einsatz von Chemiewaffen gebe. Allerdings sei unklar von wem. Dies könne nur von Experten vor Ort geklärt werden. Diese lässt die Assad-Regierung aber zu diesem Zeitpunkt nicht ins Land.

August 2013: Nach einem Angriff auf Vororte von Damaskus debattiert die internationale Gemeinschaft über einen Militärschlag. Die meisten Staaten pochen auf ein UN-Mandat. Russland und China lehnen eine Intervention ab. Syrien erlaubt die Einreise von UN-Chemiewaffenexperten, allerdings erst fünf Tage nach dem Giftgaseinsatz.