Neue Kurienverfassung Papst öffnet Behördenleitung für Frauen
Der Heilige Stuhl hat überraschend die neue Kurienverfassung veröffentlicht. Sie strukturiert den Verwaltungsapparat neu. Künftig sollen dort auch Frauen Führungspositionen übernehmen dürfen.
Papst Franziskus hat seine lang erwartete Kurienreform veröffentlicht. Wie das amtliche Nachrichtenportal "Vatican News" meldete, stellt der 54-seitige Text "Praedicate Evangelium" das Herzstück der Strukturreformen dar, die Franziskus seit seiner Wahl 2013 auf den Weg gebracht hat.
Darin ist festgehalten: Künftig können auch Laien und Frauen leitende Funktionen übernehmen. Jede Kurieninstitution erfülle ihre Aufgabe kraft der vom Papst übertragenen Vollmacht; daher könne jeder und jede Gläubige "den Vorsitz in einer Abteilung oder einem Gremium übernehmen", wenn die Person "über besondere Kompetenzen, Leitungsbefugnisse und Funktionen verfügt", heißt es in der neuen Verfassung.
Die Mitglieder der päpstlichen Zentralverwaltung sollen demnach unter Bischöfen, Priestern, Diakonen, Mitgliedern von Orden und geistlichen Gemeinschaften sowie Laien ausgewählt werden. Entscheidend sei, dass sie sich auszeichnen durch professionelle Kompetenz, geistliches Leben, pastorale Erfahrung, Nüchternheit und Liebe zu den Armen, Gemeinschaftssinn sowie die "Fähigkeit, die Zeichen der Zeit zu erkennen".
Mehr Dienstleistung für die Ortskirchen
Das Dokument regelt generell den Aufbau der Kurie, darunter die Zuschnitte der Ministerien (vatikanisch "Dikasterien"), von Justiz- und Wirtschaftsorganen sowie weiterer Büros und Einrichtungen des Heiligens Stuhls. Es soll am 5. Juni in Kraft treten und damit die bisher gültige Konstitution "Pastor bonus" von 1988 ablösen.
Neun Jahre lang hatte ein Gremium aus mehreren Kardinälen an der neuen Verfassung gearbeitet. Künftig soll sich die Kurie verstärkt als Dienstleisterin für die Ortskirchen in aller Welt verstehen, das ist ein Ziel. Gleichzeitig wird sie mehr auf die Verkündigung des Glaubens ausgerichtet, so lautet der Titel "Praedicate Evangelium" übersetzt "Verkündet das Evangelium".
Papst übernimmt Behördenleitung
Dafür wird ein neues "Dikasterium für Evangelisierung" geschaffen, eben zur Verkündigung und Verbreitung der christlichen Botschaft. Die Behörde besteht aus der bisherigen Missionskongregation, "Propaganda fide" genannt, und dem 2010 von Benedikt XVI. gegründeten Rat für Neuevangelisierung. Diese Behörde soll künftig vom Papst selbst geleitet werden, ihm zur Seite stehen zwei Pro-Präfekten.
In einem Paragraphen geht die Verfassung auf das Thema sexueller Missbrauch ein. So soll die "Päpstliche Kommission zum Schutz Minderjähriger" Bischöfe unterstützen, um Minderjährige vor sexuellem Missbrauch zu schützen. Im Vorwort schreibt Papst Franziskus, dass die Reform auch einen konstruktiveren Dialog anregen soll. In einer "Kirche des Zuhörens" könne jeder von jedem lernen.
Das Dokument regelt auch die Altersgrenze für Kurienämter neu. Künftig muss spätestens mit 80 Jahren dem Papst der Rücktritt angeboten werden. Ernennungen erfolgen weiterhin zunächst auf fünf Jahre, können aber verlängert werden.
Franziskus erließ bereits Reformen
Die Veröffentlichung der Konstitution war seit mehreren Jahren erwartet worden. Schon kurz nach seinem Amtsantritt 2013 hatte Franziskus einen eigenen Kardinalsrat geschaffen. Diesem gehört auch der Münchner Kardinal Reinhard Marx an. Die meisten Reformmaßnahmen hat der Papst seither bereits erlassen. Es stünden nur noch wenige aus, hatte er 2021 angekündigt.
Die Reform soll laut der neuen Konstitution ein Mittel sein, "um ein starkes christliches Zeugnis zu geben; um eine wirksamere Evangelisierung zu fördern; um einen fruchtbareren ökumenischen Geist zu unterstützen; um einen konstruktiveren Dialog mit allen zu fördern". Zudem sollten die von den Kardinälen 2013 gewünschten Veränderungen "die Identität der Römischen Kurie selbst weiter verfeinern". Am Montag will Kurienkardinal Marcello Semeraro die neue Verfassung vor der Vatikanpresse erläutern.