Wahl zur EU-Kommissionschefin Von der Leyens einzige Chance
Ursula von der Leyen könnte heute zur neuen EU-Kommissionschefin gewählt werden. Nur gut 300 Stimmen sind ihr allerdings bisher sicher - reicht es am Ende dennoch für eine Mehrheit?
Die meisten Beobachter sind sich einig: Ein Spaziergang wird das nicht. Doch Ursula von der Leyen hat heute eine reelle Chance, den Luxemburger Jean-Claude Juncker im Amt zu beerben.
Für die Wahl zur Kommissionspräsidentin braucht sie im EU-Parlament eine absolute Mehrheit. Das wären derzeit mindestens 374 Ja-Stimmen, wenn von 747 Abgeordneten ausgegangen wird. Die Abweichung von der gesetzlichen Mitgliederzahl, 751, ergibt sich daraus, dass drei katalanische Parlamentarier und ein Abgeordneter aus Dänemark ihr Mandat noch nicht angetreten haben.
60 bis 70 Stimmen aus anderen Fraktionen
Klar für von der Leyen ausgesprochen hat sich bereits ihre eigene Parteienfamilie, die christdemokratische EVP. Mit 182 Mitgliedern ist sie die stärkste Fraktion. Auch die 108 Mitglieder zählenden Liberalen, die sich inzwischen "Europa erneuern" nennen, haben sich nach der Anhörung in der vergangenen Woche prinzipiell positiv geäußert. Dazu könnten noch einige Stimmen der EU-kritischen, nationalkonservativen EKR-Fraktion kommen, die über 62 Sitze verfügt. Zu ihr gehören etwa die britischen Tories und die polnische PiS-Partei.
Zieht man einige Abweichler ab, die es zweifellos geben wird, macht das in der Summe etwa 300 Stimmen, mit denen die Kandidatin aus Deutschland relativ sicher rechnen kann. Für ein ordentliches Ergebnis bräuchte von der Leyen folglich noch etwa 60 bis 70 Stimmen zusätzlich aus den anderen Fraktionen. Auch das erscheint durchaus machbar, zumal die Abstimmung geheim ist.
Unklares Abstimmungsverhalten
Bekommen könnte sie die nötige Unterstützung von der sozialdemokratischen S&D-Gruppe, die sich ihr Abstimmungsverhalten - trotz klarem Nein der deutschen Genossen - bis zuletzt offen gehalten hat. So sind etwa die spanischen, portugiesischen und italienischen Sozialisten mit im Boot, wenn es um das vom Rat ausgehandelte Personalpaket geht.
Eine klare Absage kam bisher nur von den 16 SPD-Mitgliedern im EU-Parlament sowie von Grünen und Linken. Offen ist schließlich, wie die Rechtspopulisten votieren und ob sich von der Leyen notfalls auch von ihnen wählen lässt.