AfD-Wahlkampf Falschaussage zum Oktoberfest
Eine "gähnende Leere" will die AfD beim Oktoberfest beobachtet haben und damit eine steigende Terrorangst belegen. Doch die Fakten widersprechen. Auf der Wiesn ist mehr los als vergangenes Jahr.
Albert Ritter ist viel unterwegs. Jede Woche besucht er mindestens ein Volksfest in Deutschland, meistens mehr. Entweder mit seinem Ausschank - oder in seiner Funktion als Präsident des Deutschen Schaustellerbundes. Ritter ist Schausteller in fünfter Generation und kennt die deutschen Volksfeste wie kaum ein anderer.
Am Wochenende war Ritter auf dem Oktoberfest. Beim Einzug der Wiesnwirte stand er 40 Minuten im Publikumsstau, erzählt er. "Der Platz war voll. Und das trotz des mäßigen Wetters."
Die AfD allerdings behauptet das Gegenteil. Es gäbe "kaum Besucher" schreibt sie auf Facebook. Dazu ein Foto, das belegen soll, dass dem Oktoberfest die Leute wegbleiben.
Facebook-Post der AfD zum Oktoberfest, Screenshot vom 18.09.2017, 10 Uhr
Den Tatsachen entspricht das nicht. Laut Festleitung kamen am ersten Wochenende rund 600.000 Besucher auf die Wiesn - das sind 100.000 mehr als 2016. Gegenüber dem ARD-faktenfinder erklärte die Oktoberfest-Pressestelle der Stadt München, dass die Besucherzahl im langjährigen Mittel liege.
Von diesen Zahlen will die AfD-Führung aber nichts wissen. Bei einer Pressekonferenz sagte Spitzenkandidatin Alice Weidel auf Nachfrage des ARD-Hauptstadtstudios, warum ihre Partei verbreite, dass Oktoberfest sei nicht gut besucht: "Weil sie höchstwahrscheinlich die richtigen Zahlen hat. Zu denen ich aber nichts weiß."
Ich weiß nicht, wie viele Besucher auf dem Oktoberfest jetzt sind. Ich bin keine Besucherin des Oktoberfests, ich war noch nie da.
Schuld ist meistens das Wetter
Die Besucherzahlen beim Oktoberfest schwanken. Für manchen hat das mit den Preisen zu tun - etwa damit, wie viel man für eine Mass Bier zahlen muss. Darüber wird auf der Wiesn Jahr für Jahr trefflich gestritten. Relevanter aber sind aus Sicht von Albert Ritter äußere Umstände.
Unser Hauptfeind ist - seit Jahrhunderten - das schlechte Wetter.
Natürlich können auch Sicherheitsbedenken eine Rolle spielen - so verzeichnete das Oktoberfest beispielsweise nach den Anschlägen vom 11. September einen entsprechenden Besucherrückgang.
Das erste Bier beim Oktoberfest 2017
Den Höhepunkt der letzten zehn Jahre erlebte das Volksfest 2011 mit 6,9 Millionen Gästen. Seitdem - nicht erst seit 2015, dem Jahr der Flüchtlingskrise - sind die Zahlen kontinuierlich zurückgegangen.
Die Verallgemeinerung, dass "sich die Durchführung von Volksfesten seit 2015" schwierig gestalte, wie die AfD schreibt, will Schaustellerpräsident Ritter so nicht stehen lassen. "Dass alles unsicher ist, ist einfach nicht richtig." Man habe zwar eine veränderte Situation und müsse in Sachen Gefahrenabwehr aktiv sein, aber da sei schon viel passiert, etwa durch den Einsatz von Einfahrsperren. Ritter kann nicht bestätigen, dass sich die Leute sich nicht mehr auf die Feste trauen - im Gegenteil:
Es gibt keinen Trend, dass die Leute wegbleiben. Sondern eher ein 'Erst recht'-Gefühl. Die Menschen kommen zu den Festen.
Besucherzahlen stabil
Eine Stichprobe bei anderen großen Volksfesten hierzulande ergibt auch keineswegs einen generellen Besucherrückgang. Der Stuttgarter Wasen, das nach dem Oktoberfest zweitgrößte Volksfest in Deutschland, hatte in den vergangenen Jahren stabile Besucherzahlen bei rund vier Millionen. Bei der Kieler Woche waren sowohl 2016 als auch 2017 etwa drei Millionen Menschen vor Ort. Bei der Cranger Kirmes in Herne gab es dieses Jahr 200.000 Besucher mehr als 2016, insgesamt etwa 3,8 Millionen. Zur Rheinkirmes in Düsseldorf kamen 3,9 Millionen Vergnügungslustige - 400.000 mehr als vergangenes Jahr.
Besucher auf der Cranger Kirmes
Beste Wiesn-Zeit?
Dass die AfD sich offenbar selbst nicht ganz sicher fühlt mit ihrer Oktoberfest-Behauptung, zeigt ein weiterer Kommentar, den die Partei Montag Nachmittag auf Facebook postete und dann wieder löschte.
Zu lesen war da, dass das ursprüngliche Foto am Sonntag entstanden sei um 11:30 Uhr zur "besten Wiesn-Zeit, am Rande eines traditionellen Schausteller-Festumzugs, der normalerweise gut besucht ist."
Screenshot des gelöschten Posts
Die "beste Wiesn-Zeit" am Wochenende ist allerdings aus Sicht von Edmund Radlinger, dem Vorsitzenden des Münchner Schausteller-Vereins, keineswegs am Morgen, sondern am Nachmittag und Abend. Das belegen auch Bilder von Webcams, die an zentraler Stelle auf dem Festgelände angebracht sind. Nach 12 Uhr füllte sich das Gelände am Sonntag deutlich. Hinzu kommt, dass das Wetter am Vormittag mit Nieselregen zunächst schlecht war.
Zudem ging der von der AfD benannte Trachtenumzug durch die Innenstadt, bevor er dann gegen 13 Uhr auf dem Festgelände endete. Gegen 11.30 Uhr waren also nur die ersten Ausläufer des Zuges auf der Wiesn. Laut Münchner Polizei hatte der Umzug 55.000 Zuschauer. Er sei keinesfalls schlechter als sonst besucht gewesen, erklärte Manfred Newrzella, Geschäftsführer des Festrings München, der den Trachtenumzug verantwortet.
Trachtenumzug zum Oktoberfest
Wie viele Gäste dieses Jahr tatsächlich kommen, lässt sich erst in zwei Wochen sagen - bis zum 3. Oktober geht die Wiesn. Für Albert Ritter jedenfalls ist die falsche Behauptung der AfD in Sachen Oktoberfest "ein Bärendienst für die Volksfeste in Deutschland".
Update: Inzwischen hat die AfD ihren ursprünglichen Post verändert und um Zahlen zum Eröffnungswochenende ergänzt. Nach wie vor behauptet sie allerdings, es herrsche "gähnende Leere" und es seien "kaum Besucher" da.