Plakate zur Landtagswahl in Bayern
Hintergrund

Kampagnen im Wahlkampf Der Kampf um Bayern

Stand: 15.02.2019 06:00 Uhr

Vor der Landtagswahl in Bayern hat es massive Kampagnen von Rechtsextremen in sozialen Medien gegeben. Britische Forscher dokumentieren ein internationales Netzwerk, das auf ausgeklügelte Strategien setzt.

Von Von Patrick Gensing, ARD-faktenfinder

Koordinierte Attacken auf politische Gegner, eine internationale Vernetzung und der zunehmende Einsatz von neuen Anwendungen - all dies hat das britische Institute for Strategic Dialogue im bayerischen Landtagswahlkampf beobachtet und dokumentiert.

Die neuen Strategien und Möglichkeiten würden den gesamten demokratischen Wettbewerb verändern, schreiben die ISD-Forscher in einer Untersuchung mit dem Titel "The battle for Bavaria". Das Papier wird heute bei der Münchner Sicherheitskonferenz vorgestellt.

Handbücher mit Anleitungen

Das Institut beschreibt eine internationale Bewegung von rechtsradikalen Akteuren, die Wähler beeinflussen wollen, Gegner schikanieren oder bedrohen - und zumeist für die AfD werben. Die Strategien seien ähnlich gewesen wie bei der Bundestagswahl, den Wahlen in Schweden, Frankreich oder den USA.

Die Online-Aktivisten setzten dabei Strategien aus Handbüchern um. Dazu gehören Anleitungen, wie man mit zahlreichen Fake-Konten parallel agiert; sogenannte Meme Banks, auf denen Grafiken und Bilder entwickelt und gesammelt werden, sowie gezielte Verabredungen zum Trollen in den sozialen Netzwerken.

Internationale der Nationalisten

Auffällig sei bei der Wahl in Bayern gewesen, dass das US-Netzwerk "QAnon" eine deutsche Version herausgegeben habe, um internationale Verschwörungslegenden mit dem Wahlkampf in Bayern zu verknüpfen.

Rechtsradikale bauen eigene Online-Projekte als sichere Rückzugsräume auf, um sich dort zu organisieren und dann in die großen Netzwerke auszuschwärmen. Die Planung von Kampagnen zur Landtagswahl in Bayern fand beispielsweise auf 4chan statt, auch auf Plattformen wie Gab oder VK organisierten sich Aktivisten. Der deutsche "QAnon"-Ableger spielt als neue Subkultur im Netz eine entscheidende Rolle, um die Bewegungen in Europa und den USA enger zu verbinden.

Rekrutierung weltweit

In den Wochen vor der Landtagswahl versuchten rechte Aktivisten, international noch mehr Mitstreiter für koordinierte Online-Kampagnen zu gewinnen. Dabei sei es um das Verbreiten von Pro-AfD-Inhalten gegangen, aber auch die Diskreditierung anderer Parteien sowie um die Einschüchterung von Journalisten.

AfD-Forderungen und Anleitungen, wie die Partei in Bayern gezielt unterstützt werden könne, seien dafür auf Englisch zur Verfügung gestellt worden.

Kampagnen vor allem gegen Grüne

Die Forscher dokumentieren in ihrer Untersuchung auch konkrete Attacken auf politische Gegner - vor allem gegen Grüne. Ein Ziel solcher Kampagnen war Katharina Schulze: Auf 4chan riefen Aktivisten dazu auf, "Schmutz" über sie herauszufinden oder zu verbreiten. Sogar Aufrufe zur sexualisierten Gewalt dokumentieren die Forscher. Auf manipulierten Bildern wurde die Kandidatin gezeigt, wie sie angeblich einen Hitler-Gruß zeigt, um sie zu diskreditieren.

Aber auch andere Parteien attackierten die Rechtsradikalen. So initiierten sie beispielsweise eine Operation mit dem englischen Titel "Grilling SPD".

Zweifel an Wahlergebnissen

Zum Ende des Wahlkampfs setzten die Aktivisten dann vermehrt auf Hashtags wie "Wahlbetrug". Rechtsextreme Blogs veröffentlichten gezielte Falschmeldungen über angebliche Unregelmäßigkeiten bei der Briefwahl, die massiv die Grünen begünstigen würden. Solche Fake News dienen nach der Wahl dann in rechten Kreisen als vermeintliche Erklärung für das relativ starke Abschneiden der Grünen. Allein ein Video mit solchen Verschwörungstheorien erreichte auf YouTube mehr als 160.000 Abrufe.

Auch unmittelbar vor der Bundestagswahl waren bei Twitter plötzlich Hashtags wie Wahlbetrug in den Trends aufgetaucht - gezielt platziert und retweetet von rechtsradikalen Online-Aktivisten aus dem Troll-Netzwerk "Reconquista Germanica".

Aufklären und schützen

Insgesamt sehen die Forscher bei den Manipulationsversuchen im Wahlkampf eine wachsende internationale Vernetzung von Rechtsradikalen. Zwar seien die US-Aktivisten bei der Entwicklung von eigenen Plattformen weiter, schreiben die Forscher. Dennoch könnten deutsche Online-Aktivisten und Trollarmeen ebenfalls ausgeklügelte Strategien und Erfolge bei der Einmischung in Wahlkämpfe vorweisen.

Das ISD schlägt als Schutz unter anderem vor, die regionalen Behörden besser zu schulen, um koordinierte Kampagnen im Netz überhaupt zu erkennen. Auch die Medienkompetenz der Bürger müsse gestärkt und vor allem junge Menschen besser vor Drohungen und Hass geschützt werden.