Nach Explosionen in Beirut Fake-Video zeigt angeblichen Raketenangriff
Bereits kurz nach den Explosionen in Beirut zirkulierte auf allen großen Social Media-Plattformen ein Video, das einen angeblichen Raketenangriff als Ursache zeigt. Bildanalysen ergeben: Das Video wurde manipuliert.
Ein Augenzeugen-Video der Explosionen am Hafen von Beirut: Im Vordergrund ist ein Parkplatz zu sehen, dahinter Gebäude, über denen eine große Rauchwolke aufsteigt. Doch das Video ist mit einem Negativ-Effekt bearbeitet - helle Bildstellen erscheinen dunkel und andersherum. Plötzlich erscheint am linken oberen Bildrand eine Rakete, die sich auf die schon rauchenden Gebäude zubewegt. Kurz darauf gibt es zwei große Explosionen, deren Druckwelle den Augenzeugen, der das Video aufnimmt, zu Boden schleudert.
Auf YouTube wurde dieses Video innerhalb eines Tages mehr als 348.000 mal angeschaut und auf Twitter, Facebook, Instagram und TikTok weiterverbreitet. Die Botschaft: Ursache der Explosionen sei ein Raketenangriff gewesen.
Vermeintliche Rakete ändert weder Größe noch Winkel
Die im Video sichtbare vermeintliche Rakete ändert allerdings im Anflug auf die Hafengebäude weder Größe noch Anflugwinkel und bleibt im Flug scharf sichtbar - bis sie nach einigen Sekunden einfach verschwindet, ohne dass vor der folgenden Explosionen ein Einschlag zu sehen ist. Spielt man das Video Frame für Frame ab, erscheint die Rakete leicht gebogen und einer Zeichentrick-Darstellung ähnlich.
Der Fernsehsender CNN erklärte nun, die dem Video zugrundeliegenden Originalaufnahmen stammten von einem ihrer Mitarbeiter, dem Social Media-Producer Mehsen Mekhtfe, der am Tag der Explosionen in der Nähe des Beiruter Hafens zu Fuß unterwegs war. Er veröffentlichte das Video ursprünglich auf seinem Twitter-Profil. Seine Aufnahmen wurden daraufhin mutmaßlich von einem anderen Nutzer manipuliert, der den Negativ-Effekt und die vermeintliche Rakete hinzufügte.
Viele Menschen seien auf ihn zugekommen, um ihm zu sagen, dass das veränderte, auf YouTube hochgeladene Video, das seinem ähnelt, nicht echt sei, sagte Mekhtfe CNN. Er habe aber das Original und das zeige keine Rakete. "Ich betone: Ich habe keine Rakete über mir gesehen und keinen Jet oder eine Drohne gehört", so der CNN-Mitarbeiter.
"Offensichtlich gefälscht"
Auch Hany Farid, Professor an der University of California in Berkeley und Spezialist für die Analyse digitaler Bilder, bestätigte der Nachrichtenagentur AP, dass die in dem Video sichtbare Rakete "offensichtlich gefälscht" sei. Sie sei deutlich zu groß und habe keine Bewegungsunschärfe, die bei der Geschwindigkeit einer Rakete aber zu erwarten gewesen wäre.
Diese Einschätzung teilt Raketenexperte Jeffrey Lewis vom Middlebury Insitute of International Studies in Monterey. "Wenn es weniger amateurhaft wäre, könnte man den Raketentyp identifizieren, Flugbahn und Geschwindigkeit schätzen und nach digitalen Artefakten suchen", sagte er AP. Aber das Fake-Video sei nicht gelungen: "Es ist nicht gut genug, um sich damit zu beschäftigen", so Lewis.
CNN kontaktierte die Social Media-Plattformen, auf denen das Fake-Video aufgetaucht war. YouTube und TikTok entfernten es. Auf YouTube wurde das Video inzwischen allerdings erneut hochgeladen, verbunden mit dem Aufruf "Facebook zensiert, teilen!". Allerdings ist es auch auf Facebook noch in mehreren Versionen zu finden, die nur teilweise mit einem Hinweis auf Falschinformationen versehen sind.
Trump hatte über Anschlag spekuliert
Bei dem Unglück in der libanesischen Hauptstadt waren am Dienstag große Teile des Hafens durch heftige Explosionen zerstört worden. Ganze Straßenzüge im Zentrum Beiruts wurden durch eine Druckwelle verwüstet. Mindestens 149 Menschen starben, weitere 5000 wurden verletzt.
Nach Angaben der libanesischen Regierung sind die Explosionen auf 2750 Tonnen illegal gelagertes Ammoniumnitrat zurückzuführen. Die Substanz kann zur Herstellung von Sprengstoff verwendet werden.
Kurz nach den Explosionen hatte US--Präsident Donald Trump spekuliert, ein Anschlag könne die Ursache gewesen sein. Inzwischen hat Trump aber eingeräumt, dass die Explosionen doch durch einen Unfall ausgelöst worden sein könnten.