Überflutungen Karten mit eingeschränkter Aussagekraft
"Hamburg drohen regelmäßige Überflutungen", "Wird der Norden 2050 jährlich überflutet?" So und ähnlich lauten Schlagzeilen zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Doch versinkt Norddeutschland tatsächlich im Meer?
Verschiedene Medien haben in den vergangenen Tagen über eine Studie und interaktive Landkarten zu den Auswirkungen des Klimawandels berichtet. Auf diesen Karten, die Ende Oktober veröffentlicht wurden, ist demnach zu sehen, welche Gebiete künftig wegen eines steigenden Meeresspiegel bedroht sein sollen, ab 2050 regelmäßig überflutet zu werden. Neben der Nordseeküste von Schleswig-Holstein und Niedersachsen könnten Hamburg und Bremen ebenfalls unter Wasser stehen, heißt es in verschiedenen Meldungen dazu.
Auch in sozialen Medien wurden Screenshots der Karten geteilt - oft mit dem Hinweis, hier sei zu sehen, welche katastrophalen Folgen der Klimawandel in Europa haben werde.
Verbesserte Methode
Tatsächlich handelt es sich bei den Karten aber um keine Prognose für künftige Überflutungen, sondern um die Darstellung von Gebieten, die unter dem jährlichen Hochwasserniveau liegen könnten. Bislang basierten gängige Modelle dazu auf Satellitendaten der NASA. Doch die waren nicht selten fehlerhaft, da sie nicht immer den tatsächlichen Untergrund, sondern hohe Punkte wie Baumspitzen oder Hausdächer erfassten.
Stehen Teile von Norddeutschland ab 2050 regelmäßig unter Wasser?
Das neue Verfahren soll hingegen die tatsächliche Höhe des Geländes dokumentieren - ein Fortschritt, wie Experten loben. Professor Athanasios Vafeidis von der Uni Kiel mahnt allerdings zu etwas Zurückhaltung. Die Studie der Forschenden aus Princeton hätten ihre Methoden nur an bestimmten Küstenabschnitten in den USA und Australien getestet, sagte er im Deutschlandfunk. Man wisse nicht, wie zuverlässig sie anderenorts sei.
Deiche nicht berücksichtigt
Was noch weit schwerer wiegt: Die nun veröffentlichten Karten zu möglichen Überflutungen berücksichtigen keine künstlichen Küstenabwehrmaßnahmen. Das heißt: In Norddeutschland sind zwar viele Regionen prinzipiell von Überflutung bedroht - das ist aber auch heute schon der Fall. Daher werden die Gebiete durch Deiche geschützt.
Verändert man in der Karte zur Studie zudem die Parameter, so wird deutlich, dass nicht erst 2050, sondern bereits in zehn Jahren die weiträumigen Überflutungen drohen könnten - eben weil vorhandene Schutzmaßnahmen gar nicht berücksichtigt werden. Schon heute würde beispielsweise Hamburg-Wilhelmsburg regelmäßig überschwemmt, würde die Insel nicht durch Deiche geschützt.
Schon 2030 könnten Teile Norddeutschlands überflutet werden - berücksicht man nicht die Deiche.
Diese Einschränkung wird in einem Begleittext zu der Studie auch erwähnt. Dort heißt es, die neuen Karten sollten aufgrund des immer wieder auftretenden Fehlers bei den Höhendaten als ein "Screening-Tool" betrachtet werden, "um Orte zu identifizieren, die eine genauere Untersuchung des Risikos erfordern können". Mit anderen Worten: Es geht zunächst darum, möglicherweise gefährdete Gebiete besser zu identifizieren - und dann die konkrete Situation zu untersuchen.
Allerdings existieren längst Risikokarten. So veröffentlicht beispielsweise die Stadt Hamburg Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten. Diese basieren auf Daten des Landesbetriebs für Geoinformation.
Afrika und Asien besonders betroffen
Für Norddeutschland ergeben sich aus den Karten also keine gravierenden Konsequenzen, was die Bedrohung durch Überflutungen angeht. Anders sieht es für Teile von Asien oder Afrika aus, wo es keinen entsprechenden Küstenschutz gibt.
Mojib Latif, Professor für Maritime Meteorologie am Helmholtz-Zentrum in Kiel, sagte der "taz" dazu: "Viele Länder in Asien oder Afrika haben, anders als die Industrieländer, oft nicht die Mittel, sich anzupassen. Da ist die Verletzlichkeit der Bevölkerung größer, da entscheidet ein halber Meter mehr oder weniger dann tatsächlich über Sein oder Nicht-Sein."