Bundestagswahl Russische Desinformation nimmt Parteien ins Visier
Mehrere Behörden haben mit Blick auf die Bundestagswahl vor ausländischer Einflussnahme gewarnt - vor allem aus Russland. Denn die russische Doppelgängerkampagne läuft weiterhin - und macht zunehmend Stimmung gegen die Parteien.
"Die ständige Konfrontation mit Russland schadet uns nur. Es ist Zeit für eine Wende in der Politik. ADG zeigt den Weg" - Unter diesem Post auf der Plattform X ist zudem ein Bild von der AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel zu sehen. Was zunächst etwas kryptisch erscheint, wird bei genauerer Erläuterung deutlich. Denn ADG ist die russische Abkürzung für die Alternative für Deutschland (AfD), ausgeschrieben "Alternativa Dlja Germanii". Und das ist wahrscheinlich kein Zufall, denn: Einer Analyse des CeMAS (Center für Monitoring, Analyse und Strategie) zufolge ist dieser Post Teil russischer Desinformation.
Dieser Beitrag ist Teil der russischen Doppelgängerkampagne.
Die Wahlempfehlung für die AfD stammt demnach nicht von einem echten Nutzer, sondern ist Teil der sogenannten Doppelgängerkampagne. Diese läuft bereits seit mehreren Jahren und versucht stetig, die Narrative des Kremls in den sozialen Netzwerken zu verbreiten - getarnt als vermeintliche Beiträge von privaten Nutzern. Das Auswärtige Amt hatte beispielsweise Anfang des Jahres 2024 mehr als 50.000 gefälschte Nutzerkonten auf X ausgemacht, die insgesamt mehr als eine Million deutschsprachige Tweets absetzten.
630 Posts in nur einem Monat
Insgesamt 630 deutschsprachige Posts der russischen Desinformationskampagne dokumentierte das CeMAS für den Zeitraum vom 17. Dezember 2024 bis zum 14. Januar 2025 auf X. Nach Angaben der Plattform erreichten diese Beiträge insgesamt mehr als 2,8 Millionen Ansichten.
Bei der Doppelgängerkampagne posten von Russland gesteuerte Accounts Inhalte im Sinne des Kremls, oft mit einem Bild oder einem Link versehen. Diese Links führen teilweise auf gefälschte Nachrichtenseiten etablierter Medien wie dem Spiegel oder der Süddeutschen Zeitung. Die Artikel dort sind niemals so in den Medien erschienen und enthalten meist prorussische Narrative zum Beispiel mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine.
Durch ein Leak konnte im vergangenen Jahr ein Großteil dieser Seiten zu einem russischen Unternehmen zurückverfolgt werden, welches diese Inhalte im Auftrag der russischen Regierung veröffentlichte.
Untypische Interaktionsraten
Die Postings der Doppelgängerkampagne sind für die Forschenden recht leicht auszumachen, sagt Lea Frühwirth, Senior Researcher Desinformation beim CeMAS. Denn die Beiträge haben neben Link oder Bild vor allem untypische Interaktionsraten - trotz weniger Likes und Kommentare werden sie sehr häufig geteilt. "Die Kennzahlen passen nicht zusammen. Wenn ein Beitrag so oft geteilt wird wie bei der Doppelgängerkampagne, dann haben sie normalerweise auch viele Likes und Kommentare."
Zudem haben die Accounts wenige Follower und meist nur einen Beitrag veröffentlicht. Auch die Veröffentlichungszeiten der Postings weisen der Analyse zufolge deutliche Hinweise auf eine Koordination auf.
Schüren von Ängsten und Sorgen
Inhaltlich gehen die Beiträge in eine ähnliche Richtung wie bei früheren Untersuchungen, wie die Analyse des CeMAS zeigt. So schüren viele der Postings Sorgen und Ängste mit Blick auf die wirtschaftliche Situation in Deutschland. Auch die Energieversorgung wird thematisiert. Gleichzeitig wird die Unterstützung für die Ukraine kritisiert oder infrage gestellt.
So heißt es zum Beispiel in einem Post: "Unsere eigenen wirtschaftlichen Probleme werden durch die andauernde Unterstützung der Ukraine nicht kleiner. Wir müssen auch an uns denken." In vielen Postings schreiben die vermeintlich privaten Nutzer, dass sie Angst haben, ihren Job zu verlieren.
CDU und Merz rücken mehr in den Fokus
Von den im Bundestag vertretenen Parteien werden besonders die Grünen oft negativ erwähnt, so werden sie für wirtschaftliche Probleme verantwortlich gemacht. Die SPD wird meist in Form von Bundeskanzler Olaf Scholz adressiert, er wird hauptsächlich mit Blick auf Hilfsleistungen für die Ukraine kritisiert. Auffällig ist nach Angaben von Frühwirth zudem, dass die CDU und ihr Kanzlerkandidat Friedrich Merz ebenfalls oft in ein schlechtes Licht gerückt werden, in früheren Untersuchungen wurde die Partei eher weniger thematisiert.
"Zu der CDU wird in den Postings der Eindruck erweckt, dass sie nicht glaubwürdig ist", sagt Frühwirth. So heißt es in einem Posting exemplarisch: "Ich vertraue der CDU nicht. Sie haben zu lange zugeschaut, wie unsere Grenzen porös wurden. Jetzt Wahlversprechen abzugeben, ist zu spät." In einem anderen: "Friedrich Merz und die CDU werden ihre Versprechen brechen, sobald die Wahl vorbei ist."
Die AfD wird in den Beiträgen nur sehr selten erwähnt, dann aber im Gegensatz zu den anderen Parteien positiv.
"Steter Tropfen höhlt den Stein"
Auch wenn die Bundestagswahl nur in wenigen Beiträgen direkt erwähnt wird, so können viele der Inhalte auf die Wahl bezogen werden, sagt Frühwirth. "Ich glaube, dass die Inhalte trotzdem für die Wahl relevant sind und auch auf die Wahl gemünzt werden können. Denn es werden Themen aufgegriffen, von denen man ausgehen kann, dass sie die Leute beschäftigen und die dann entweder positiv oder negativ mit bestimmten Parteien verbunden werden."
Hinzu komme, dass die Doppelgängerkampagne inzwischen über einen sehr langen Zeitraum die prorussischen Narrative verbreite. "Und steter Tropfen höhlt den Stein", sagt Frühwirth. Es sei nicht so, dass ein Mensch einen solchen Beitrag sehe und daraufhin seine Wahlentscheidung ändere. "Aber wir reden hier von mehreren Kampagnen aus Russland, die zeitgleich laufen und von verschiedenen Akteuren verbreitet werden - und das über Jahre." Desinformation müsse zudem nicht unbedingt eine Entscheidung um 180 Grad verändern. Es reiche, wenn Zweifel gesät würden.
Umso wichtiger ist es aus Sicht von Frühwirth, dass die sozialen Netzwerke wie X gegen solche Kampagnen vorgehen. Zwar würde X viele der Accounts löschen - allerdings oft erst nach einiger Zeit. "Das gibt den Accounts sehr viel Zeit, weiterhin Inhalte zu verbreiten und potenziell Schaden anzurichten."
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigte an, sich mit den Managern aller relevanten Onlineplattformen treffen zu wollen. "Die klare Botschaft wird sein: Alle müssen sich an Recht und Gesetz halten", sagte die SPD-Politikerin der Süddeutschen Zeitung. "Es geht darum, unzulässige Einflussnahme auf die Bundestagswahl wie durch russische Propaganda und Desinformation zu verhindern."