Verbot von Mehrehen Es gab keinen "irren Einbürgerungsplan"
Im Mai hatte die "Bild" von einem "irren Einbürgerungsplan" berichtet. Trotz "Scharia-Ehe" solle es einen deutschen Pass geben. Nun kursiert der Beitrag erneut - und sorgt für Wut in den Netzwerken.
"Ein Leben mit zwei oder drei Ehefrauen? Für die Bundesregierung soll das kein Hindernis sein, Ausländern die deutsche Staatsangehörigkeit zu verleihen. Und das, obwohl die Vielehe in Deutschland eigentlich strafbar ist!" So leitete die "Bild"-Zeitung am 6. Mai einen Beitrag zur Debatte über Einbürgerungen ein.
Die "Bild" berichtete von einem "irren Einbürgerungsplan".
Dem Bericht zufolge hatte sich Bundesjustizministerin Katarina Barley gegen einen entsprechenden Entwurf von Bundesinnenminister Horst Seehofer gestellt, der die Mehrehe bei Einbürgerungen verbieten sollte.
"Später erörtern"
Der ARD-faktenfinder hatte zu diesem Thema ebenfalls am 6. Mai eine Anfrage an das Bundesjustizministerium gestellt, ein Sprecher teilte daraufhin mit:
Im November 2018 hat das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) die Ressortbeteiligung zu einem Dritten Gesetz zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes und anderer Gesetze eingeleitet. Wegen der vom BMI als vorrangig bezeichneten zeitgleichen Behandlung einer Vielzahl anderer Vorhaben - u.a. das 2. Datenaustauschverbesserungsgesetz und das Fachkräfteeinwanderungsgesetz - gab es eine Einigung auf Ministerebene, die Regelungen in dem Entwurf, die nicht im Koalitionsvertrag vorgesehen sind, zurückzustellen und später zu erörtern.
Demnach wurden also Vorhaben, die im Koalitionsvertrag festgeschrieben worden waren, zuerst abgearbeitet - nach einer Einigung auf Ministerebene. Von einer Legalisierung von Mehrehen bei Einbürgerungen war allerdings nie die Rede. Barley betonte ebenfalls im Mai:
Wir wollen eine glasklare Regelung schaffen, dass jemand, der mit mehreren Menschen verheiratet ist, nicht die deutsche Staatsangehörigkeit bekommen kann. Mehrehen sind bereits jetzt in Deutschland nicht möglich. Wenn ein bereits verheirateter Ehepartner eine Ehe mit einer weiteren Person schließt, macht er sich strafbar. Ein Verbot der Einbürgerung bei bestehender Mehrehe ist deshalb nur konsequent. Es ist gut, dass sich auch der Bundesrat in einer Stellungnahme dieser Haltung angeschlossen hat. Die Fraktionen im Bundestag haben angekündigt, eine entsprechende Regelung im parlamentarischen Verfahren einzubringen. Das halte ich für den richtigen Weg.
Auch die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Eva Högl, machte deutlich: "Wir werden im Gesetz klarstellen, dass Menschen, die in Mehrehe leben, nicht eingebürgert werden." Das sei unstreitig in der Koalition. "Wir werden im parlamentarischen Verfahren für die zügige Umsetzung sorgen."
Gesetz im Juni verabschiedet
Im Juni verabschiedete der Bundestag dann das Dritte Gesetz zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes, das seit dem 9. August in Kraft ist - inklusive den Regelungen zur Einbürgerung. Demnach sieht das Gesetz als Voraussetzung für die Einbürgerung eines Ausländers unter anderem vor, dass "seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet, insbesondere er nicht gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet ist".
Artikel verbreitet sich erneut
Am 20. August veröffentlichte die "Bild" den Artikel aus dem Mai online noch einmal, ein leitender Redakteur teilte den Beitrag auf Twitter. Auch die ehemalige CDU-Politikerin Erika Steinbach verbreitete den "Bild"-Artikel. Hunderte Nutzer reagierten mit Zustimmung oder Retweets.
Steinbach versah ihren Tweet mit dem Kommentar, dass Kanzlerin Angela Merkel dann wohl diese "fatale Einbürgerung" auch wolle. Über Facebook verbreitete Steinbach den veralteten "Bild"-Artikel, datiert mit dem 20. August, ebenfalls. In wütenden Kommentaren fordern Nutzer daraufhin, dieses Gesetz den "Irren um die Ohren zu hauen". Die "Islamisierung" sei "Staatspolitik", Kanzlerin Merkel gehöre vor ein "Kriegsgericht".
Allerdings hatte es nie einen "irren Einbürgerungsplan" gegeben. Vielmehr hatte es zunächst eine Abstimmung zwischen Innen- und Justizministerium gegeben, das Vorhaben zurückzustellen, dann wurde es - mutmaßlich wegen des öffentlichen Drucks - doch noch zeitnah umgesetzt, so wie Seehofer es zunächst vorgeschlagen hatte.
Keine Zahlen bekannt
Wie viele Männer mit mehreren Ehefrauen überhaupt eine Einbürgerung beantragen, ist unbekannt. Das Ende Juni verabschiedete Gesetz sorgte zudem für viel Kritik wegen der Formulierung "Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse" als Bedingung für eine Einbürgerung. Ein Bündnis aus Wissenschaftlern und Migrantenorganisationen kritisierte, diese Passage sei viel zu schwammig und damit von den Behörden willkürlich interpretierbar.
Das Bundesverwaltungsgericht hatte 2018 festgestellt, eine vom Einbürgerungsbewerber im Ausland geschlossene weitere Ehe schließe eine "Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse" aus.