Polizisten räumen Barrikaden, die Demonstranten aufgebaut haben.
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Fakes zu Protesten in den USA Die "Antifa-Soros-Verschwörung"

Stand: 02.06.2020 13:03 Uhr

Ein "Antifa-Handbuch" zur Randale; eine Agentur, die Demonstranten vermittelt; ein Milliardär, der Ausschreitungen finanziert: Im Netz kursieren zahlreiche Falschmeldungen über die Proteste in den USA.

Von Patrick Gensing, ARD-aktuell

Von Patrick Gensing, ARD-faktenfinder

"The Antifa Manual" - so lautet der Titel eines angeblichen Handbuchs für Proteste gegen rassistische Polizeigewalt in den USA. Die Anleitung soll ein Aktivist bei Ausschreitungen in Oregon verloren haben, heißt es in sozialen Medien. Aus den Papieren gehe hervor, dass die Randale geplant gewesen sei und von dem Milliardär George Soros finanziert werde.

In dem Papier ist von den aktuellen Protesten allerdings nichts zu finden. Dafür ist die Rede davon, eine "Neue Weltordnung" bzw. "Weltregierung" aufzubauen. Dafür solle man argumentativ streiten; falls das nicht reiche, solle man den Kontrahenten mit Adolf Hitler vergleichen. In den kommenden 100 Jahren solle "die Antifa" nach und nach die Macht übernehmen, heißt es in dem Papier, dafür werde man Medien unterwandern und eine "Operation Wahrheit" beginnen. Unterzeichnet ist das Pamphlet mit: "Dies sind die Dinge, an die wir glauben. Wir sind Antifa. Entweder unterstützt Du uns - oder du bist ein Faschist."

Immer wieder "Geheimpläne"

Das angebliche Handbuch vereint verschiedene Verschwörungsmythen, die von Rechtsradikalen über antifaschistische Gruppen verbreitet werden: Angeblich gebe es eine zentrale Organisation, die reichhaltig finanziert werde und eine Weltregierung anstrebe. Allerdings handelt es sich offenkundig um eine Fälschung: Die Screenshots kursieren seit Monaten im Netz. So hatten Nutzer auf Reddit bereits 2019 über das angebliche Handbuch diskutiert. Sie hatten das Papier als mutmaßliche Desinformationskampagne bezeichnet und sich über die Formulierungen amüsiert, die nach linksradikaler Rhetorik klingen sollen.

Der Trick, angebliche Gewaltaufrufe, Geheimpläne oder Handbücher zu verbreiten, taucht immer wieder auf: Angefangen von den "Protokollen der Weisen von Zion" über angebliche Pläne zur "Umvolkung" bis zu dem "Antifa-Manual". Mehrfach wurden falsche Bekennerschreiben von rechtsradikalen Blogs und der AfD skandalisiert.

Treffen mit Al Kaida bei G20?

Seit langem werden zudem immer wieder Gerüchte über antifaschistische Gruppen verbreitet. So hatte ein US-Publizist 2017 behauptet, beim G20-Gipfel in Hamburg hätten sich Linksradikale aus diesem Milieu mit Vertretern von Al-Kaida getroffen. Zudem kursiert seit Jahren die Falschnachricht, die USA hätten "die Antifa" als terroristische Gruppe eingestuft.

Tatsächlich gibt es nicht "die Antifa"; der Begriff steht für Antifaschismus oder Antifaschistische Aktion. Als Abkürzung wird oft AFA oder der Zahlencode 161 benutzt. Es handelt sich dabei, so schreibt es beispielsweise der Verfassungsschutz, um keine feste Organisation, sondern um ein Aktionsfeld, ähnlich wie Antirassismus, Antiglobalisierung oder Antigentrifizierung.

"Kein politisch-ideologisch geschlossenes Konzept"

Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags stellte fest, bislang seien weder im In- noch im Ausland einzelne Antifa-Gruppierungen als kriminelle oder terroristische Vereinigungen eingestuft worden. Ohnehin gebe es nicht "die Antifa" im Sinne einer einheitlichen Organisation, sondern eine entsprechende, nicht scharf umrissene Szene. Insbesondere könne kein "einheitliches Handeln oder ein in sich geschlossenes, politisch-ideologisch geschlossenes Konzept" unterstellt werden.

Twitter sperrt gefälschtes Antifa-Konto

Von Rechtsradikalen wird dennoch immer wieder das Feindbild Antifa als einflussreiche, weit verzweigte Organisation dargestellt. So behaupteten unter anderem AfD-Politiker, Antifaschisten würden für Proteste gegen die Partei bezahlt. Diese Legende taucht in den USA nun auch im Kontext mit den aktuellen Protesten auf: Angeblich könne man bei einer Agentur Demonstranten anheuern - ein Fake, wie US-Faktenchecker bewiesen.

Erneut sind auch Fake-Konten im Einsatz, die sich als Antifa-Gruppen ausgeben. So sperrte Twitter einen Account, der sich als "Antifa_US" bezeichnete, aber nur wenige Follower hatte. Dort war zu massiver Gewalt aufgerufen worden, die Tweets wurden massenhaft aufgegriffen und als vermeintlicher Beweis für die Gewalttätigkeit der "Antifa" genannt. Twitter teilte nun mit, das Konto habe Verbindungen zu der rechtsextremen "Identitären Bewegung". Auch in Deutschland waren immer wieder Twitter-Accounts aufgetaucht, die sich als Antifa-Gruppen, Juden oder Flüchtlinge ausgaben.

Screenshot

Twitter sperrte ein angebliches Antifa-Konto.

Zehntausendfach geteilt

Die Fakes über antifaschistische Gruppen und den angeblichen Finanzier Soros wurden in den vergangenen Tagen zehntausendfach geteilt. Auch auf YouTube sind entsprechende Videos zu finden. Die "New York Times" berichtet, sogar ein hochrangiger Politiker, der Donald Trump unterstützt, habe entsprechende Anschuldigungen gegen den Milliardär geteilt.

Die Verschwörungslegenden gehen sogar so weit, dass behauptet wird, George Floyd sei gar nicht bei dem Polizeieinsatz getötet worden, sondern dies sei lediglich inszeniert gewesen, um die Proteste auszulösen.

Einstufung als Terrorgruppe gar nicht möglich

Präsident Trump kündigte derweil an, "die Antifa" als Terrorgrupppe verbieten zu lassen. Allerdings ist unklar, welche Rolle Antifa-Aktivisten bei den landesweiten Protesten und Ausschreitungen gespielt haben. Generalstaatsanwalt William Barr erklärte, die von Antifa und ähnlichen Gruppierungen angefachte Gewalt müsse als innerstaatlicher Terrorismus behandelt werden. Die Pressesprecherin des Weißen Hauses musste allerdings einräumen, dass es schwierig sei, "Mitglieder" zu erkennen.

Der Historiker Mark Bray, der ein Buch zur Antifa-Bewegung geschrieben hat, sagte in US-Medien, er glaube durchaus, dass Personen aus dem Antifa-Milieu an den Protesten beteiligt seien. Die Bewegung habe aber weder Mitgliederlisten noch die Möglichkeit, in den gesamten USA Proteste anzufachen. Zudem weisen Experten darauf hin, es sei rechtlich unklar, wie eine ganze inländische Gruppe als Terrororganisation eingestuft werden sollte. Dies ist bislang nur bei ausländischen Organisationen möglich, Trump kann "die Antifa" also gar nicht zur Terrorgruppe erklären lassen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR AKTUELL im Hörfunk am 02. Juni 2020 um 12:11 Uhr.