Nordkoreas Atomwaffen Das Waffenarsenal von Kim Jong Un
Nordkorea meldet den Test einer Wasserstoffbombe. Doch wie viele und welche Atomwaffen besitzt Nordkorea wirklich? Verlässliche Informationen darüber sind nur schwer zu beschaffen - auch für westliche Geheimdienste.
Wenn es darum geht herauszufinden, wie gefährlich Nordkorea dem Rest der Welt wirklich werden könnte, nutzen Geheimdienste schon einmal gern eine besondere Quelle: Die Zeitung. Im März 2016 zeigte ein nordkoreanisches Staatsblatt Kim Jong Un inmitten von Atomwissenschaftlern und Raketentechnikern, alle blicken stolz auf eine glänzende Metallkugel, heraus ragten Drähte, die mit einem Pfropfen am oberen Ende verbunden waren. Nordkorea, so verkündete es die offizielle Propaganda, habe es nun endlich geschafft, einen atomaren Sprengkopf so sehr zu verkleinern, dass er von einer Rakete befördert werden könne. Miniaturisierung nennen dies die Militärs.
Wie nah ist Nordkorea an der "Roten Line"?
Von der Frage, ob Nordkorea diese Form von High-Tech beherrscht - und wie weit seine tausenden von Raketen wirklich fliegen, hängt viel ab. Vielleicht sogar Krieg oder Frieden. Atomraketen, die die Westküste der USA erreichen können, sind eine Bedrohung, die für jeden amerikanischen Präsidenten schwer zu akzeptieren wäre. Und womöglich schon gar nicht für jemanden wie Donald Trump. Auch der südkoreanische Präsident Moon Jae In erklärte, hierbei handele es sich für sein Land um die "Rote Linie."
So ernst die Lage, so lückenhaft aber sind die tatsächlichen Erkenntnisse über die militärischen Fähigkeiten Nordkoreas. Anders als andere Diktaturen verbirgt Nordkorea seine Waffen nicht - sondern zeigt sie sogar her, bei Paraden, in der Zeitung und im Staatsfernsehen. Nur funktionieren sie wirklich, wie behauptet?
Zeigen, was man hat: Nordkoreanischer Rakete auf einer Parade am 15. Mai 2017 in Pjöngjang.
Die Beschaffung von harten Informationen gilt in dem Land als besonders schwer. So gab es jahrelang nur ein altes Bild von Kim Kong Un aus seiner Zeit in einem Schweizer Internat, bis er schließlich endlich einmal mit seinem Vater öffentlich auftrat. Schon im Jahr 2000 wurden von US-Geheimdiensten erste Warnungen verbreitet, dass Nordkoreas Raketen bald die USA erreichen könnten - das war nun mindestens anderthalb Jahrzehnte zu früh.
Syrischer Reaktor blieb Amerikanern verborgen
Aber nicht nur Übertreibungen sind verzeichnet: Dass Nordkorea Syrien offenbar einen kompletten Atomreaktor in die Wüste baute, erfuhren die Amerikaner nur von den Israelis, die ihn dann 2007 auch mit einem Luftangriff zerstörten. Bis heute fragt sich die amerikanische Regierung, wie ihr der Bau des Reaktors entgehen konnte.
Mal wird überschätzt, mal unterschätzt. Und so wackelig wie in der Vergangenheit sind auch heute noch die Fakten. Die Internationale Atomenergie-Behörde IAEA darf seit 2002 nicht mehr ins Land, so wachsen die Ungewissheiten.
Sichere Informationen nur schwer zu bekommen
Zu den zwischen Geheimdiensten und unabhängigen Experten umstrittenen Fragen gehört etwa, wie viele Sprengsätze Nordkorea wirklich besitzt, ob es sich nur einfache Atombomben oder bereits um ein vielfach stärkere Fusionswaffen handelt.
Bei der CIA brütete man monatelang über den Bildern des Metall-Balls, den sie dort nur die "Discokugel" nennen. Der US-Militärgeheimdienst geht nach einer neuesten Analyse davon aus, dass das Regime nun die Miniaturisierung beherrscht und zählt bis zu 60 Atombomben in den Händen von Kim Jong Un.
Siegfried Hecker, ehemaliger Direktor der US-Bombenwerkstatt in Los Alamos glaubt, dass es höchstens 20 bis 25 sind. Von ihm stammt auch die Warnung, die lückenhaften Erkenntnisse nicht zu dramatisieren: "Zu übertreiben ist besonders gefährlich", so Hecker. Er ist einer der besten Kenner des Landes, zwischen 2004 und 2010 war er sieben Mal in Nordkorea.
Bei einem der Besuche führten ihm die Nordkoreaner in der Nuklearanlage in Yong Bon eine laufende Anlage für die Uran-Anreicherung vor - neben Plutonium ist dies der zweite Spaltstoff, aus dem sich Bomben bauen lassen. Bis zu der freiwilligen Enthüllung hatte kein Geheimdienst sicher gewusst, dass die Nordkoreaner eine solche Anlage haben. Dabei gilt das Gebiet um Yong Bon als eines der von Satelliten am dichtesten überwachten der Welt.
Üblicherweise sind Atomtests eine wichtige Quelle, die entweichende Strahlung und Gase werden analysiert. Aber beim deutschen BND registrieren sie seit Jahren, dass die Nordkoreaner die Tests stets unterirdisch durchführen und das Gelände sehr gut dämmen. Kaum etwas dringt nach draußen. Agenten, die Bodenproben nehmen können, gibt es in Nordkorea offenbar nicht. Ähnlich lückenhaft ist die Kenntnis über die Raketen.
Spekulationen über Waffen aus sowjetischer Produktion
Die ukrainische Regierung dementierte gerade harsch Meldungen, nach denen Teile der nordkoreanischen Raketen tatsächlich aus einer der früheren sowjetischen Waffenschmieden im heutigen Dnipro stammen könnten. Verifizieren lässt sich dies nicht.
Der deutsche Raketenwissenschaftler und ehemalige Waffeninspekteur im Irak, Robert Schmucker, wies gerade daraufhin, dass Nordkorea seine Projektile meist steil nach oben schießt - so kommen die Trümmer dann auch wieder herunter. Damit wird verhindert, dass die südkoreanische oder amerikanische Marine die Teile bergen.
Waffenprogramm wurde unter Kim Jong Un ausgebaut
Was also kann nun ein Land, dessen Bruttoinlandsprodukt nur halb so hoch ist, wie die jährlichen Ausgaben der Amerikaner für ihre Haustiere (so rechnete es gerade der "Economist" vor)? Sicher ist nur, dass Kim Jong Un die Aufrüstung beschleunigt hat: Drei der fünf Atombombentests fanden in der Zeit seiner Herrschaft statt. Hinzu kommen 80 gestartete Raketen, mehr als doppelt so viele wie unter seinem Vater und Großvater zusammen.
Interkontinentalraketen sind äußerst schwer zu bauen, nur mit Hilfe von Tests können sie Serienreife erlangen. "Das ist wie bei einem Pianisten", sagte Schmucker einmal, "man muss üben, üben, üben." Nach Berichten amerikanischen Medien hat deshalb der frühere Präsident Barack Obama schon vor drei Jahren den Auftrag gegeben, die Tests mit Hilfe von geheimen Cyber-Waffen und Methoden zu stören. Wie erfolgreich dies ist, ist nicht bekannt. Aber die Zahl der Fehlschüsse der Nordkoreaner hat sich erhöht.
Überläufer als unsichere Quelle
Zur Aufklärung der wahren Intentionen und militärischen Fortschritte in der marxistischen Erb-Diktatur ist man oft auf die Angaben von Überläufern angewiesen - und auf nordkoreanische Beamte und Militärs, die sich absetzen. Der BND hat Südkorea dabei geholfen eine eigene Dienststelle für ihre Befragung aufzubauen, ganz nach einem Modell, mit dem im Kalten Krieg DDR-Bürger und Asylbewerber nach ihrer Ankunft im Westen befragt wurden.
Aber auch mit solchen Angaben muss man vorsichtig sein. Eine der entscheidenden Informationen, mit denen die Amerikaner ihren Einmarsch im Irak rechtfertigten, stammte aus eben einer solchen Befragung eines irakischen Wissenschaftlers mit dem Codenamen "Curveball". Er behauptete - nachdem er sich nach Deutschland abgesetzt hatte - dass Saddam Hussein mobile Biowaffen-Labore besitze. Diese Geschichte jedenfalls, so weiß man heute, war frei erfunden.