Urteil zum Mietendeckel Fragwürdige Schuldzuweisungen
Nach dem Urteil zum Mietendeckel wird Union und FDP die Schuld gegeben, dass Hunderttausende Menschen Mieten nachzahlen müssten. Das lenkt allerdings von der Verantwortung des Berliner Senats für das Gesetz ab.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Mietendeckel sorgt für heftige Diskussionen und Schuldzuweisungen. Ein Bundesvorstand der Grünen Jugend twitterte: "Wegen der FDP & der Union müssen somit hunderttausende Familien, Student*innen, Alleinerziehende, Lohnabhängige & Co. hunderte Euro mehr Miete bezahlen & tausende Euro meist an milliardenschwere Unternehmen nachbezahlen." Andere Nutzer schrieben, Union und FDP hätten "Millionen von Mietern" geschadet.
Union und FDP sollen schuld sein am Scheitern des Berliner Mietendeckels.
Tatsächlich hatten Bundestagsabgeordnete der Union und der FDP eine sogenannte Normenkontrollklage eingereicht. Bei einer solchen Kontrolle prüft das Verfassungsgericht, ob eine rechtliche Regelung mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Eine Normenkontrollklage können die Bundesregierung, Landesregierungen oder ein Viertel der Mitglieder des Bundestages anstrengen.
Grundsätzliche Zweifel
Im Kern geht es dabei weniger um den Mietendeckel an sich, sondern um die Frage, ob ein Bundesland überhaupt solche Gesetze erlassen darf oder ob das Mietrecht im föderalen System Deutschlands ausschließlich Sache des Bundes ist.
Nicht nur Union und FDP hielten die Vorschriften für verfassungswidrig: Das Landgericht und ein Amtsgericht in Berlin, bei denen Vermieter geklagt haben, hatten Zweifel an der Rechtmäßigkeit. In diesem Fall sind sie verpflichtet, die Verfahren auszusetzen und die Frage an das Bundesverfassungsgericht weiterzugeben - das nun geurteilt hat, das Land Berlin sei nicht berechtigt, einen Sonderweg zu gehen. Da der Bund bereits 2015 die Mietpreisbremse beschlossen hatte, liege die Gesetzgebungsbefugnis ausschließlich dort.
Wichtiges Instrument im Rechtsstaat
Die Behauptung, Union und FDP seien schuld an Nachzahlungen und höheren Mieten, ist somit verkürzt und lenkt von der Verantwortung des Berliner Senats ab. Denn zum einen hatte es von Anfang an starke verfassungsrechtliche Bedenken gegeben. Zum anderen wäre die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch ohne die Normenkontrollklage von Union und FDP genauso ausgefallen.
Eine solche Klage ist zudem ein wichtiges Instrument, um die Rechtmäßigkeit von Gesetzen prüfen lassen zu können. Dass viele Berlinerinnen und Berliner nun mutmaßlich Miete nachzahlen müssen, liegt an der fehlenden Rechtmäßigkeit des Gesetzes - nicht an der Klage, um die Rechtmäßigkeit zu prüfen.
Zudem war diese Feststellung auch für andere Länder und Städte wichtig, die über eigene Mietendeckel diskutiert hatten. Klar ist nun: Zulässig wären entsprechende Eingriffe nur durch den Bund. Das Thema Mieten - insbesondere die umstrittene Wirksamkeit der weiterhin geltenden "Mietpreisbremse" - dürften somit im anstehenden Bundestagswahlkampf deutlich an Bedeutung gewinnen.