
Massaker in Syrien Zahlreiche falsche Bilder und Videos
In den sozialen Netzwerken kursieren viele Bilder und Videos, die das in Syrien verübte Massaker an nahezu Tausend Zivilisten zeigen sollen. Doch neben authentischen Inhalten verbreiten sich auch viele Fakes.
Drei Monate nach dem Sturz des Assad-Regimes haben islamistische Kämpfer übereinstimmenden Berichten zufolge Massaker an nahezu 1.000 Zivilisten verübt. Der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) zufolge wurden bei 39 Massakern an verschiedenen Orten an der syrischen Küste und in den Bergen von Latakia mindestens 973 Zivilisten getötet. Die meisten von ihnen gehörten der religiösen Minderheit der Alawiten im Land an. Insgesamt sind laut SOHR seit dem 6. März mindestens 1.454 Menschen getötet worden.
Die Gewalt brach aus, nachdem Regimeanhänger des gestürzten Diktators Baschar al-Assad vergangene Woche staatliche syrische Sicherheitskräfte in Latakia angegriffen hatten. Dies führte zu heftigen Auseinandersetzungen und Rachemorden, die sich gegen Assads alawitische Anhänger richteten.
Neben authentischem Bildmaterial, welches die Gräueltaten in Syrien dokumentiert, werden auch zahlreiche falsche Bilder und Videos verbreitet. Einige werden im falschen Kontext verbreitet, andere zeigen ganz andere Geschehnisse.
Falsche Personen für tot erklärt
In den sozialen Netzwerken kursieren viele Bilder von Personen mit einem schwarzen Trauerband, welche die Todesopfer zeigen sollen. Doch einige dieser gezeigten Personen gehören gar nicht zu den Opfern der grauenhaften Massaker, wie auch ein Faktencheck der Deutschen Welle zeigt.
So kursiert beispielsweise ein Post, in dem es heißt, dass eine junge Frau eine alawitische Bürgerin war, die an der Küste Syriens getötet wurde. Sie habe nur Minuten vor ihrer Ermordung auf ihrem Profil etwas gepostet. Doch das ist falsch. Diese Frau wurde nicht getötet, wie sie selbst in einem Beitrag auf dem Kurznachrichtendienst X klar stellt.
Auch das Bild einer in Nevada lebenden US-Amerikanerin verbreitete sich mit der Falschbehauptung ihres angeblichen Todes. Die Frau, Sahar Shaba, weist auf X darauf hin und fordert "die sofortige Entfernung aller Beiträge", die "falsche Informationen" über sie verbreiten würden.
In mehreren Posts heißt es darüber hinaus, dass ein junges Mädchen namens Dahab Munir Allou in Syrien getötet worden sei. Eine Bilderrückwärtssuche zeigt jedoch, dass das Foto in anderen Zusammenhängen aus dem Internet stammt und es keinerlei Nachrichten gibt, die auf die Ermordung eines syrischen Mädchens mit diesem Namen hinweisen.
Video zeigt israelischen Angriff auf den Libanon
Ein Video, das angeblich Fassbombenangriffe in Syrien durch die derzeitigen Regimekräfte zeigen soll, verbreitet sich aktuell im Netz. In einem Beitrag, welches das Video teilt, heißt es: "Al-Nusra-Terrorgangs greifen syrische Küstenstädte mit Fassbomben an."
Doch das Video zeigt nicht die aktuellen Ereignisse. Tatsächlich zeigt es einen der israelischen Angriffe auf den Libanon während der Kämpfe zwischen den israelischen Verteidigungskräften IDF und der libanesischen Hisbollah, nur einen Tag vor Inkrafttreten des Waffenstillstandsabkommens zwischen den beiden Parteien. Das Video ist von November 2024 und wurde in der Gegend der syrischen Stadt Qudsaya in der Bekaa-Tal-Region gefilmt.

Dieses Video ist alt und hat nichts mit den aktuellen Angriffen in Syrien zu tun. Es einen der israelischen Angriffe auf den Libanon während der Kämpfe zwischen den israelischen Verteidigungskräften IDF und der libanesischen Hisbollah.
Weiteres Video zeigt anderes Geschehen als behauptet
Auch ein Video, das auf X und TikTok verbreitet wird, zeigt in Wahrheit ein ganz anderes Ereignis als beschrieben. In dem Post zum Video heißt es: "1.000 Tote, darunter nackte Frauen im Paradies" und "Exekutionen auf der Straße - Syrien stürzt in 48 Stunden brutaler Gewalt".
Im Video zu sehen sind in Decken gehüllte Menschen, die in der Nacht auf dem Boden sitzen. Im Hintergrund ist die Stimme eines Mannes zu hören, der auf Arabisch spricht. Er spricht über einige Personen, die vor allem aus dem gestürzten Assad-Regime in Gewahrsam genommen wurden.
Anhand einer Bilderrückwärtssuche lassen sich dieselben Szenen in mehreren Videos finden - allerdings in einem anderen Kontext. Das Video steht im Zusammenhang mit der Rückführung von 1905 syrischen Soldaten aus dem Irak, die am Tag vor dem Sturz des Regimes von Baschar al-Assad am 7. Dezember Zuflucht gesucht und den Irak betreten hatten.
Die türkische Nachrichtenagentur Anadolu English veröffentlichte das in der ostsyrischen Stadt Deir ez-Zur am Grenzübergang Al-Bukamal zum Irak aufgenommene Video am 20. Dezember 2024. In dem Video sind weder nackte Frauen noch tote Menschen zu sehen. Auch auf der Facebook-Seite der türkischen Nachrichtenagentur findet sich ein Video, in dem syrische Soldaten in ähnliche Decken gehüllt zu sehen waren.
Video zeigt keinen enthaupteten Mann
In einem viel geteilten Video auf verschiedenen sozialen Netzwerken soll angeblich ein Mann zu sehen sein, der von HTS-Rebellen enthauptet wurde. Im Posting wird behauptet, dass im Hintergrund das Weinen von Frauen und Kindern zu hören sei. Das Video hängt jedoch weder mit den aktuellen Geschehnissen in Syrien zusammen, noch zeigt es eine enthauptete Person.
Über eine Bilderrückwärtssuche lässt sich eine ältere Version des Videos auf YouTube finden, die mindestens auf das Jahr 2022 zurückgeht. Im Originalvideo ist ein Mann zu sehen, der bei einem besonderen Tanzstil seinen Kopf unter seinem Körper versteckt. Im Verlauf des Videos ist sein Kopf klar erkennbar. Auch ist im Originalvideo im Hintergrund Musik zu hören, die auf eine Darbietung und Spaßveranstaltung hinweist.

Dieses Video wird in einem falschen Kontext verbreitet und zeigt keinen geköpften Mann.
Brutales Video nicht aktuell
"Islamistische Dschihadisten kreuzigen Christen in Syrien, während der Vatikan und bestimmte Kardinäle Ramadan feiern", heißt es in einem viralen Beitrag auf X. Dem Post wurde ein Foto hinzugefügt, das die angebliche Szene zeigen soll.
Doch das Foto ist ein Screenshot eines älteren Videos und steht nicht in Zusammenhang mit den derzeitigen Ereignissen in Syrien. In dem grausamen Video sieht man, wie die Person hinter dem Mann diesem in den Kopf schießt. Da die Bilder sehr brutal sind, gehen wir nicht auf die weiteren Details ein. Eine Bilderrückwärtssuche zeigt, dass das Video mindestens aus dem Jahr 2017 stammt. Wo diese grausamen Szenen genau stattgefunden haben, ist nicht bekannt.

Dieses grausame Video hat nichts mit den aktuellen Geschehnissen in Syrien zu tun.
Keine Beweise für verbreitete Behauptung
In den sozialen Medien wird zudem verbreitet, dass Christen ein Hauptziel der jüngsten Anschläge der Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) sind. Dafür gibt es jedoch keinerlei Beweise. Christliche Anführer veröffentlichten am 8. März ein gemeinsames Statement auf Facebook, in dem sie die Gewalttaten gegen Zivilisten verurteilen. Sie erwähnen hierbei jedoch nicht, dass Christen das Hauptziel der Angriffe gewesen seien.
Eine weitere Stellungnahme der katholischen Kirche in Latakia dementiert, dass die dortigen Kirchen ihre Hallen für syrische Familien und Zivilisten öffnen. "Diese Nachricht ist nicht wahr, da die aktuelle Situation in der Stadt Latakia es nicht erfordert, solche Maßnahmen zu ergreifen", heißt es in der Erklärung. Auch lokalen Nachrichtenberichten zufolge sind Christen nicht das Hauptziel der aktuellen Angriffe. Sowohl laut lokalen als auch laut internationalen Berichten waren Alawiten das Hauptziel der jüngsten Angriffe.
Doch auch Christen in Syrien berichten von Ängsten und Sorgen unter dem neuen islamistischen Regime. Zwar haben die neuen Machthaber versprochen, die Rechte der Minderheiten zu wahren. Doch fürchten viele, dass sich der Hass und die Gewalt bald auch gegen Christen wenden könnte.
Hinweis: Dieser Artikel ist im Rahmen der Kooperation der ARD Faktenchecker von ARD-faktenfinder, BR24 #Faktenfuchs, und DW Fact check entstanden.