Fake News im Netz Kein Dschihad gegen Hunde
Die AfD und ihr nahestehende Medien behaupten, es gebe eine zunehmende Zahl von islamistisch-motivierten Übergriffen auf Hunde. Belege dafür existieren nicht. Von Patrick Gensing.
Die AfD und ihr nahestehende Medien behaupten, in Deutschland gebe es eine zunehmende Zahl von religiös-motivierten Übergriffen auf Hunde. Belege dafür existieren nicht.
"Verstümmelt, verbrannt, vergewaltigt: Hunde verenden für den radikalen Islam" - das behauptete die AfD auf Facebook. Dazu veröffentlichte die Partei das Bild eines Welpen. Mehr als 5000 Nutzer teilten den Eintrag.
Auch rechte Blogs griffen das Thema auf: "Zunahme von brutaler Gewalt gegen Hunde in Deutschland" - so überschreibt "Philosophia Perennis" des Publizisten David Berger einen Artikel, der ebenfalls tausendfach geteilt wurde. In dem Text heißt es, es häuften "sich immer mehr schockierende 'Einzelfälle'."
Kein religiöses Motiv erkennbar
Als Beispiel führten die AfD und Online-Seiten dann den Fall einer französischen Bulldogge an, die vor einem Jahr, im Februar 2018, in Straubing von einem Syrer aus dem dritten Stock eines Wohnhauses geworfen worden war. Bei seiner Vernehmung habe "der Merkel-Gast angegeben, ihn habe die Anwesenheit des nach islamischer Lesart unreinen Hundes 'erzürnt'", heißt es.
Was "Philosophia Perennis" nicht erwähnt: Der Syrer lebte in einer Wohngemeinschaft - mit dem Hund, der einem Mitbewohner gehörte. Laut Medienberichten hatte der 27-Jährige das Tier nach einem Streit mit einem Mitbewohner aus dem Fenster geworfen und wurde im August 2018 zu einer Geldstrafe verurteilt. Von einem religiösen Motiv für die Tat war dabei nicht die Rede.
Auseinandersetzung am Elbufer
Als weiteres Beispiel nennen rechte Blogs ein Video aus dem Jahr 2018, in dem zu sehen sei, wie "Jugendliche, erkennbar mit 'Migrationshintergrund', am Dresdner Elbufer randalierten und Hunde traten". Tatsächlich ist auf einem im Netz kursierenden Video zu sehen, wie es am Himmelfahrtstag zu Rangeleien zwischen zwei Gruppen von jungen Leuten kam, ein Beteiligter hatte zwei angeleinte Hunde dabei. Zu welcher Gruppe der Hundebesitzer gehörte, ist aus dem Video nicht eindeutig ersichtlich.
Im Zuge der Auseinandersetzung zwischen den jungen Männern trat offenbar ein Mann einen der Hunde. Es ist aber nicht zu erkennen, dass es einen gezielten geschweige denn religiös-motivierten Angriff auf mehrere Hunde gegeben habe. Auch in der Polizeimeldung war von Übergriffen auf Hunde überhaupt keine Rede.
"Religiöser Hintergrund konstruiert"
Als weitere Beispiele für die angeblich zunehmende brutale Gewalt gegen Hunde durch Migranten berufen sich rechte Medien auf Vorfälle aus Belgien und den Niederlanden aus dem vergangenen Jahr. Inwiefern hier religiöse Motive eine Rolle gespielt haben, geht aus Medienberichten jedoch gar nicht hervor.
Bei einem anderen Vorfall in Österreich vor zwei Jahren sollen Hunde als unrein bezeichnet worden sein, schreiben rechte Blogger unter Berufung auf die "Kronen-Zeitung". Doch auch diese Darstellung ist fragwürdig. Der österreichische Presserat rief die "Kronen-Zeitung" dazu auf, in "Zukunft in derartigen Fällen genauer zu recherchieren":
Aufgrund der Faktenlage bei der Polizei betrachtet es der Senat als heikel, dass in den Artikeln der Eindruck vermittelt wurde, dass es sich bei dem Vorfall um eine (gezielte) "Attacke" aus religiösen Gründen handelte. Durch die einseitige Berichterstattung bzw. die einseitige Wiedergabe der Sichtweise des Anwalts der Hundebesitzerin wurde anscheinend ein religiöser Hintergrund konstruiert.
Offenkundig "Hoax" in Manchester
Angebliche Drohungen und Übergriffe von Muslimen gegen Hunde und deren Besitzer werden bereits seit zwei Jahren von Rechten in den USA verbreitet und zehntausendfach geteilt, dokumentierte "Buzzfeed". Rechte Blogs beziehen sich dabei beispielsweise auf einen Vorfall in Manchester im Jahr 2016. Damals sollen Islamisten Flugblätter gegen Hunde verteilt haben.
Tatsächlich waren solche Flugblätter dort aufgetaucht - doch Faktenchecker äußerten große Zweifel an der Echtheit. Denn die angeblich dafür verantwortliche Gruppe "For Public Purity" gab zwar eine Website an, doch auf der fanden sich kaum Inhalte und keine Informationen zu der Gruppe. Mittlerweile steht auf der Seite eine dänische Werbung für Treppenlifte. Eine Facebook-Seite mit dem Namen "For Public Purity" enthält nur etwa ein Dutzend Beiträge. Seit der Aktion 2016 ist die Seite nicht mehr aktualisiert worden. Medien berichteten zudem, eine Gruppe mit dem Namen sei in Manchester nicht bekannt.
Die Seite "Religious Reader" stellte fest, dass die Website der angeblichen Gruppe in den USA registriert worden war. Zudem war in einer rechtsradikalen Gruppen auf der Plattform "4chan" darüber diskutiert worden, die Facebook-Seite massenhaft zu liken, um so ihre Glaubwürdigkeit zu erhöhen. Die Seite "Rationalwiki" bewertet "For Public Purity" angesichts dieser Indizien als "Hoax".
Tierschutzbund: "nicht bekannt"
Der Deutsche Tierschutzbund erklärte auf Anfrage des ARD-faktenfinder, von vermehrten religiös- oder islamisch-motivierten Übergriffen gegen Hunde sei "nichts bekannt". Über Motive von Tätern lasse sich in der Regel nur spekulieren: "Wenn Menschen aktiv Tiere quälen, können sexuelle Perversion, Sadismus, Mordlust oder Rache mögliche Motive sein." Tatsächlich finden sich im Netz verschiedene aktuelle Berichte über Misshandlungen von Hunden, die Taten stehen oft im Zusammenhang mit Streitigkeiten zwischen Partnern oder Nachbarn.
Die von rechten Blogs angeführten Beispiele belegen weder eine steigende Zahl von Übergriffen auf Hunde aus religiösen Motiven, noch sind sie aktuell. Für einem "Dschihad gegen Hunde", wie es in einigen Online-Medien heißt, gibt es somit keine Belege. Es handelt sich um Stimmungsmache gegen Muslime.