Kampf den Wolken Die Regenmacher
Wolken impfen mit Silberjodid, damit sie Wasser lassen: Geht das? Können Menschen Wolken künstlich zum Regnen bringen und damit das Wetter beeinflussen? Eine Methode, die wissenschaftlich umstritten ist.
"Wenn es gut gemacht ist, kann das funktionieren", sagt ARD-Wetterexperte Michael Köckeritz. Regen lasse sich künstlich herstellen, wenn Wolken mit Silberjodid geimpft werden. Genauer gesagt: "Eine mit Silberjodid versetzte Aceton-Lösung wird in die Wolken gestreut, meist mithilfe von Motorflugzeugen. Dadurch werden wasseranziehende Salze frei, die wie Kondensationskeime funktionieren. Diese verbinden sich mit den winzigen Wassertröpfchen einer Wolke, so dass aus vielen kleinen mehrere große werden. Durch das zunehmende Gewicht sinken sie – und gehen als Regen nieder." Die Wolke hat sich aufgelöst. "Eigentlich simpel", sagt Köckeritz, Wasserdampf brauche Kondensationskeime, um abzuregnen. Auf natürlichem Weg seien das Pollen, Ruß- oder Staubpartikel. Künstlich geht das mit Silberjodid, doch auch Trockeneis oder flüssiger Stickstoff eignen sich dafür.
Wolkenimpfen zur Hagelabwehr
Kampf den Wolken mit Silberjodid, "diese Praxis ist relativ weit verbreitet“, so Köckeritz. China mache das, Russland – und wir in Deutschland auch. Im Süden des Landes, meist in Weinanbauregionen in Baden-Württemberg und Bayern zur Hagelabwehr. "In Deutschland setzen wir diese Methode sehr vereinzelt dort ein, wo Unwetter häufiger vorkommen, um Schäden durch Hagel und schwere Regenfälle zu vermeiden", sagt Stephan Haufe vom Bundesumweltministerium. Durch das Impfen sollen Wolken abregnen, bevor sich große Hagelkörner entwickeln. Die Bauern, die das in den meisten Fällen selbst bezahlen und in Auftrag geben, wollen dadurch ihre Ernte schützen.
Wettermacher in China bei der Arbeit: Raketen schießen Silberjodid in die Wolken
Sonnige Großereignisse
Während die Wolkenimpfung in Deutschland primär der Vermeidung von Unwettern dient, wird in anderen Ländern versucht, dadurch künstlich Sonnenschein für bestimmte Großereignisse zu erzeugen. Wenn man die Wolke zwingt, früher abzuregnen, wird auf dem weiteren Weg der Wolke ein mögliches Unwetter vermieden. So hat China die Eröffnung der Olympischen Sommerspiele 2008 ohne Regen feiern können, obwohl schwere Unwetter angesagt waren. An mehreren Stellen außerhalb der Stadt wurde Silberjodid mit Hilfe von mehr als 1000 Raketen in die Regenwolken gefeuert.
Auch Russland will regelmäßig zum Jahrestag des Sieges über Hitler-Deutschland am 09. Mai keinen Regen und schickt rechtzeitig Flugzeuge gegen die Wolken in die Luft.
Dieses Jahr allerdings mit nur mäßigem Erfolg. Es regnete zwar nicht in Strömen, doch von Sonne weit und breit keine Spur.
Dicke Regenwolken statt des üblichen Sonnenscheins trübten in Moskau die Stimmung zum Tag des Sieges.
Wissenschaftlich nicht belegt
Die Wirksamkeit des Wolkenbeschusses ist wissenschaftlich nicht belegt. "Es gibt keine belastbaren statistischen Untersuchungen", erklärt Professor Manfred Wendisch, Leiter der Arbeitsgruppe Atmosphärische Strahlung der Uni Leipzig. "Die Flieger impfen die Wolken und fliegen heim. Wenn es nicht hagelt ist das schön, doch kann keiner nachweisen, dass es wirklich an der Impfung lag. Vielleicht wäre es auch ohne trocken geblieben. Ich glaube, hier kann der Wunsch der Vater des Gedankens sein", so Wendisch. Denn Wetter ist extrem komplex. Das Klima verändert sich, die Wolkenbeschaffenheit, die Richtung des Windes – alles ist permanent im Wandel. Außerdem stecke so viel Energie in einer Wolke, da bräuchte es mehr als ein paar Hagelflieger. Professor Wendisch rechnet vor:
Energie von 14 Atombomben
Wie viel Tonnen Wasser sind in einer Wolke?
In einem Kubikmeter m³ Wolke sind ungefähr 1 Gramm flüssiges Wasser. Bei einer Wolke mit einem Volumen von 10 km x 10 km x 5 km (Höhe) habe man insgesamt 500 Tausend Tonnen flüssiges Wasser im angenommenen Wolkenvolumen.
Um diese fette Wolke verdunsten zu lassen, braucht man eine Menge Energie.
Zum Beispiel: Um ein Kilogramm Wasser verdunsten zu lassen, sind 2.5 Millionen Joule notwendig.
Dementsprechend braucht es für 500 Tausend Tonnen Wasser eine ziemlich unvorstellbar hohe Energie: In etwa die von 14 Nagasaki Atombomben, erklärt Wendisch. Eine Wolke lasse sich eben nicht einfach aus der Ruhe bringen.
"Und selbst wenn viel Silberjodid geimpft wird, dann muss man zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle genau die richtige Menge impfen", erklärt Joachim Curtius, Professor für experimentelle Atmosphärenforschung an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Zumal Städte wie Peking und Moskau so groß seien, da reiche es nicht, wenn man eine Wolke zum Abregnen bringe. Ihm zufolge gibt es Beispiele, wo es gelungen ist, eine Wolke zum Abregnen zu zwingen. Das gehe aber auch oft daneben.
UN-Konvention gegen Wettermanipulation
Der Krieg den Wolken mit Silberjodid – diese Technik wird seit Jahrzehnten immer wieder angewandt. So oft, dass nach vielen Experimenten zur Wetterbeeinflussung vor allem in den 50er und 60er Jahren die Vereinten Nationen mit einer Konvention reagierten, der "Enmod Warfare". Sie verbietet, die Umwelt in einem Konflikt gezielt zu schädigen. Insbesondere untersagt sie jede Form von Wettermanipulation zu militärischen Zwecken oder zur Kriegsführung. Die UN-Konvention wurde am 18. Mai 1977 in Genf unterzeichnet und trat am 5. Oktober 1978 in Kraft. "Sie ist bis heute gültig", sagt Professor Curtius. Insgesamt 77 Staaten haben sie unterzeichnet, darunter Deutschland, die USA und Russland.
Auswirkungen auf die Umwelt
Was das Impfen mit Silberjodid für die Umwelt bedeutet? In der GESTIS-Stoffdatenbank ist Silberjodid mit dem Signalwort "Achtung" belegt. Es wird empfohlen, die Freisetzung zu vermeiden. Dennoch sagt Karsten Smid von Greenpeace, dass in der geringen Konzentration, mit der Silberjodid zur Vermeidung von Regen eingesetzt wird, keine negativen Auswirkungen auf die Umwelt zu befürchten seien. In diesem Falle sei es mehr wert, dass Unwetter-Schäden vermieden werden.
Kann der Mensch das Wetter beeinflussen? Grundsätzlich ist das möglich. Aber keiner kann zweifelsfrei belegen, in welchem Umfang.