Schlechte Bezahlung im Frauenfußball "Es ist ein verdammt langer Weg"
Große Stadien, bessere Bezahlung und mehr Akzeptanz für den Frauenfußball fordert Ex-Nationalspielerin Inka Grings im tagesschau.de-Interview. Sie rät: Frauen sollten mutiger werden.
tagesschau.de: Frau Grings, gibt es im Fußball in Deutschland Chancengleichheit?
Inka Grings: Das ist schwierig zu beantworten. Die Frage ist, wie man das definiert. Wenn man davon ausgeht, ob es gute Trainingsbedingungen gibt, dann ist das bei Bundesligisten wie Bayern München, VfL Wolfsburg oder Eintracht Frankfurt meiner Meinung nach gegeben. Hier würde ich sagen: Die haben richtig gute Voraussetzungen für die Frauen, um einfach auch professionell zu arbeiten. Definiert man es darüber, inwiefern die Frauen, die Bundesliga spielen, gut bezahlt werden, ist es eine andere Sache.
Teilweise nur ein "Hungerlohn"
tagesschau.de: Die Nationalspielerin Lina Magull fordert, dass es ein Mindestgehalt geben sollte für Frauen, die in der 1. und 2. Bundesliga spielen. Sie fordert 2000 bis 3000 Euro pro Monat. Das würde den Frauenfußball insgesamt voranbringen. Was halten Sie von diesem Vorschlag?
Grings: Ich glaube, um den Frauenfußball grundsätzlich attraktiver zu machen, muss gegeben sein, dass die Frauen sich nur auf Fußball konzentrieren können. Aber wie soll das gehen, wenn eine Spielerin acht Stunden vorher arbeiten geht und anschließend nur einmal am Tag die Möglichkeit hat zu trainieren? Geschweige denn, sich vorzubereiten, zu regenerieren. Ich finde es bedenklich, dass es in Deutschland immer noch Erstligistinnen gibt, die im Vergleich zu anderen Mannschaften wirklich einen Hungerlohn bekommen und nicht davon leben können. Das zu thematisieren, ist extrem wichtig für den Frauenfußball, weil es heißt, dass es Aufmerksamkeit gibt. Jetzt geht es darum, vernünftige Lösungen zu finden.
tagesschau.de: Andere Länder - wie die USA, Spanien und England - haben bereits "Equal Pay" eingeführt für Fußball-Nationalspielerinnen. Die Spielerinnen bekommen von ihren Fußballverbänden Prämien, die genauso hoch sind wie die der Männer. In Deutschland wurde die Siegprämie für einen EM-Triumph der Frauen zuletzt angehoben, auf 60.000 Euro. Bei den Männern hätte der DFB 2021 im Fall eines EM-Titelgewinns jedem Spieler 400.000 Euro überwiesen. Sollte Deutschland nachziehen in Sachen "Equal Pay"?
Grings: Unbedingt. Am Anfang war es immer recht einfach, aus deutscher Perspektive zu sagen: Die USA fangen mit der "Equal Pay"-Diskussion an, ein Land, wo der Stellenwert des Frauenfußballs eine ganz andere Dimension hat. Aber jetzt ziehen immer mehr europäische Länder nach, Spanien zum Beispiel, wo der Frauenfußball generell wächst und einen ganz anderen Stellenwert bekommt. Das finde ich großartig, weil es irgendwann für die Herrschaften in Deutschland kein Argument mehr geben wird, hinter dem sie sich verstecken können.
Den meisten Spielerinnen geht es übrigens nicht darum, 500.000 Euro im Monat zu verdienen. Sondern es geht um Akzeptanz, es geht darum, dass die Leistung, die man erbringt, gesehen wird. Statt das immer noch zu belächeln oder das nach hinten zu schieben und immer nur die Jungs nach vorne zu pushen.
Frauenfußball in die großen Stadien bringen
tagesschau.de: Die Fußball-EM 2022 in England begann mit einem Rekord: Etwa 70.000 Fans haben das Spiel im Stadion Old Trafford in Manchester verfolgt. Beim Spiel der Frauen des FC Barcelona gegen Real Madrid am 30. März haben 85.000 Menschen im Stadion zugeschaut. In Deutschland dagegen spielen die Bundesliga-Frauen oft vor leeren Rängen. Warum ist das so?
Grings: In Deutschland hört man oft das Argument: "Frauenfußball ist nicht so attraktiv". Dann frage ich: "Was ist denn attraktiv?" Letztendlich ist es natürlich erstmal attraktiv ins Stadion zu gehen. Dafür müssen die deutschen Frauenmannschaften aber erstmal in den großen Stadien spielen, wir sollten sie also dort reinbringen und die Spiele bewerben. Dann kann man auch marketingtechnisch viel besser argumentieren.
Für einen Sponsoren ist es ja auch interessanter, mit seinem Banner im Stadion zu hängen, als irgendwo auf einer Feldwiese und im Hintergrund ist ein Acker. Bei allem Respekt, die männlichen Bundesligisten spielen auch nicht jedes Wochenende Zauberfußball. Den Fans geht es um die Gemeinschaft im Stadion, man will einfach dabei sein, und deshalb lieben Leute es, ins Stadion zu gehen. Und das ist sicherlich noch ein Punkt, den man im Frauenfußball gerade in Deutschland intensivieren müsste.
"Viele suchen nach den negativen Dingen"
tagesschau.de: Viele erhoffen sich einen Aufwind für den Frauenfußball durch die EM, vor allem, wenn die deutsche Nationalmannschaft erfolgreich sein sollte. Wie denken Sie darüber?
Grings: Ich denke: Wie viel mehr sollen die Spielerinnen denn noch leisten? Deutschland spielt international immer mit, auch wenn sie in den letzten zwei, drei Jahren keine großen Erfolge hatten. Aber sie spielen immer in der Champions League, sie spielen immer zwischen Viertel- und Halbfinale.
Was ich schade finde, ist, dass bei einem Spiel wie England-Österreich, was ein attraktives Spiel gewesen ist, wenn man ein bisschen Ahnung von Fußball hat, zwei Tage darüber diskutiert wird, warum nicht 75.000, sondern "nur" 68.000 Zuschauer im Stadion waren. Mein Eindruck ist, dass viele immer noch nur nach den negativen Dingen suchen. Da haben wir Frauen auch irgendwann keine Lust mehr drauf. Das ist auch anstrengend, das zu argumentieren. Wenn man sich Fußball von Frauen heutzutage anschaut, dann macht das schon Spaß.
"Wir brauchen uns nicht verstecken"
tagesschau.de: Sie haben als erste Frau eine Männermannschaft in einer der vier höchsten Ligen in Deutschland trainiert. Es gibt inzwischen Frauen als Schiedsrichterinnen bei Fußballturnieren der Männer. Der Deutsche Fußball-Bund hat erstmals eine Frau als Vize-Präsidentin. Braucht es mehr Frauen, die sichtbar sind im Fußball, in verschiedensten Funktionen?
Grings: Es ist einfach wichtig, dass wir Frauen generell in der Gesellschaft ein bisschen mutiger werden. Wir brauchen uns nicht zu verstecken. Und da ist sicherlich der Sport eine tolle Brücke, wo wir Frauen viel bewirken können. Das ist uns auch bewusst, das wollen wir auch. Ich glaube, dass junge Mädchen auch Vorbilder brauchen. Aber es ist ein verdammt langer Weg und macht manchmal auch keinen Spaß. Wobei ich immer gesagt habe: "Jetzt erst recht." Denn ich sehe nicht mal ansatzweise, warum er, der das gleiche macht wie ich, das Fünffache verdienen soll. Nein. Diese Zeiten sind vorbei.
Das Interview führte Susanna Zdrzalek, WDR