Verfassungsschutz zur AfD Prüfung - aber keine Beobachtung
Der Verfassungsschutz sieht bei der AfD Anhaltspunkte für demokratiefeindliche Bestrebungen, einer Beobachtung entgeht sie aber vorerst. Gegen ihre Einstufung als Prüffall kündigte die Partei juristischen Widerstand an.
Die AfD wird als Gesamtpartei offiziell ein Fall für den Verfassungsschutz. "Dem BfV liegen erste tatsächliche Anhaltspunkte für eine gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtete Politik der AfD vor", sagte Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang in Berlin.
Die gesamte Partei werde daher künftig als Prüffall betrachtet. Das bedeute, dass offen wahrnehmbare Äußerungen der Partei weiter kontinuierlich ausgewertet würden, personenbezogene Daten aber nicht gespeichert und keine nachrichtendienstlichen Mittel wie V-Männer zum Einsatz kommen werden.
Haldenwang zufolge fiel traf die Behörde ihre Entscheidung auf Grundlage einer monatelangen Prüfung von öffentlich zugänglichen Informationen. Die Anhaltspunkte, die zu ihrer Einschätzung geführt hätten, seien aber nicht hinreichend verdichtet, um auch eine Beobachtung unter "Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln" einzuleiten.
Die Einstufung als Prüffall begründete Haldenwang besonders mit Aussagen von AfD-Politikern, die "mit der Garantie der Menschenwürde unvereinbar waren". Das betreffe völkisch-nationalistische und muslim- sowie fremden- und minderheitenfeindliche Aussagen. Der Verfassungsschutz stützt sich bei seiner Einschätzung besonders auf Äußerungen von AfD-Vertretern und nicht so sehr auf das Parteiprogramm.
Die AfD sei eine "große Partei mit einer hohen Diversität in ihren politischen Aussagen", fügte Haldenwang hinzu. Insofern könne "noch nicht hinreichend beurteilt werden", ob die gefundenen Anhaltspunkte "charakteristisch für die Ziele und die Ausrichtung der gesamten Partei" seien. Ob dies der Fall ist, will das BfV nun im Rahmen der Prüffallbewertung klären.
Der neue Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang begründete die Einschätzung seines Amtes vor allem mit Aussagen von AfD-Vertretern.
Seehofer stützt Entscheidung
Innenminister Horst Seehofer (CSU) stellte sich hinter die Entscheidung des Verfassungsschutzes. "Wir haben diese umfangreiche Studie selbst auch beurteilt. Wir halten sie für plausibel. Und deshalb stehe ich hinter diesen Entscheidungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz", sagte er vor einer Sitzung der Unionsfraktion in Berlin. Zugleich betonte er, es gehe nicht um eine politische, sondern eine fachliche Entscheidung des Verfassungsschutzes.
Auf die Frage, ob diese politische Auswirkungen habe, sagte Seehofer: "Natürlich ist das auch von politischer Bedeutung. Aber ich lege großen Wert darauf, dass es keine Entscheidung von Politikern ist, sondern von den Verfassungsschutzbehörden, entschieden durch das Bundesamt für Verfassungsschutz, aber auch gestützt auf Material der Länder."
Der Parteivorsitzende Gauland glaubt, politischer Druck habe zu der Entscheidung des BfV geführt.
AfD will sich juristisch wehren
Die AfD kündigte an, sich juristisch gegen ihre Einstufung als Prüffall zu wehren. Die Partei halte die Entscheidung des Verfassungsschutzes für falsch, sagte der Parteivorsitzende Alexander Gauland. "Wir werden gegen diese Entscheidung juristisch vorgehen." Die Partei habe dies bereits prüfen lassen. Die Argumente des BfV seien "durchgehend nicht tragfähig".
Gauland machte ein "gesellschaftliches Klima" und "politischen Druck" für die Entscheidung verantwortlich. Die Co-Vorsitzende Alice Weidel sagte, mit dem ehemaligen Chef des Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, wäre eine derartige Entscheidung der Behörde nicht möglich gewesen. "Darum musste er gehen."
Einzelne Organisationen zu Verdachtsfällen erklärt
Noch einen Schritt weiter als bei der Gesamtpartei ging der Verfassungsschutz bei der AfD-Jugendorganisation "Junge Alternative" und der Vereinigung "Flügel" um den Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke: Beide wurden zu Verdachtsfällen erklärt. Zur "Jungen Alternative" lägen dem BfV "inhaltlich und numerisch hinreichend gewichtige Anhaltspunkte dafür vor", dass es sich bei der Nachwuchsorganisation um eine "extremistische" Organisation handle, sagte Haldenwang. Entsprechende "stark verdichtete Anhaltspunkte" auf eine "extremistische Bestrebung" gebe es auch hinsichtlich der Sammlungsbewegung "Flügel".
Wird eine Organisation zum Verdachtsfall erklärt, so ist der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel möglich, wenngleich auch nur sehr eingeschränkt. Beispielsweise ist dann eine Observation gestattet, ebenso das Einholen bestimmter Informationen von Behörden. Sogenannte V-Leute und die Überwachung von Telekommunikation kommen aber auch hier nicht zum Einsatz. Das ist nur erlaubt, wenn eine Organisation als Beobachtungsobjekt eingestuft wird.