Kritik an Wortwahl Neuer Ärger für Kramp-Karrenbauer
Kaum legt sich die Aufregung über Kramp-Karrenbauers Syrien-Vorstoß, schon droht der nächste Ärger: Die Verteidigungsministerin hat von einer Annexion durch die Türkei gesprochen - und Kopfschütteln ausgelöst.
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat mit Aussagen über die Türkei erneut für Irritationen gesorgt. Sie warf der Regierung in Ankara eine Annexion von Teilen Nordsyriens vor: Es sei eine "Tatsache, dass ein Land, dass die Türkei, unser NATO-Partner - berechtigte Sicherheitsinteressen hin oder her - völkerrechtswidrig Gebiet annektiert hat, dass Menschen dort vertrieben werden", sagte sie bei einem Truppenbesuch in Erfurt.
Unter Annexion versteht man allerdings die erzwungene, dauerhafte Einverleibung von Gebiet eines anderen Staats. Türkische Truppen sind zwar in Syrien einmarschiert, um die kurdische YPG-Miliz zu bekämpfen, die von Ankara als Terrororganisation angesehen wird. Die Absicht der dauerhaften Eingliederung des Gebiets in die Türkei ist bisher aber nicht geäußert worden.
Lambsdorff: "Das macht betroffen"
Der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff warf ihr daraufhin vor, falsche Informationen zu verbreiten. "Wenn die Verteidigungsministerin in so ernsten Fragen öffentlich die eigene Inkompetenz zeigt - das macht betroffen", schrieb er auf Twitter.
Die Wortwahl Kramp-Karrenbauers ist auch deswegen brisant, weil der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die Europäische Union zu Beginn seiner Militäroperation in Nordsyrien vor solchen Vorwürfen gewarnt hatte. "Wenn ihr versucht, unsere aktuelle Operation als Besatzung zu bezeichnen, dann haben wir leichtes Spiel. Dann öffnen wir die Türen und schicken euch 3,6 Millionen Flüchtlinge", sagte er vor zwei Wochen. Eine Annexion geht noch weiter als eine Besatzung, die vorübergehend sein kann.
Nouripour wird "Angst und Bange"
Auch der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour sagte, eine Verteidigungsministerin müsse gerade in Krisenzeiten präzise argumentieren. Ihm werde "langsam Angst und Bange um die Rechtsgrundlage", unter der Kramp-Karrenbauer gegebenenfalls die Bundeswehr nach Nordsyrien schicken wolle.
Die CDU-Chefin hatte zuletzt eine von einer UN-Truppe kontrollierte Sicherheitszone für Nordsyrien vorgeschlagen, aber noch nicht gesagt, ob sich die Bundeswehr daran beteiligen soll. Sie verteidigte den Vorschlag am Mittwoch gegen Kritik.
Vor dem Verteidigungsausschuss des Bundestags sagte sie nach Teilnehmerangaben, dass es für den Einsatz ein Mandat der Vereinten Nationen geben müsse und die Truppe auch von den UN geführt werden sollte. Dazu bräuchte es dann einen Beschluss des UN-Sicherheitsrats.
Keine Angaben zur Rolle der Bundeswehr
Ideal wäre aus Kramp-Karrenbauers Sicht eine Mission analog zum UN-Stabilisierungseinsatz Minusma in Mali - also ein Blauhelmeinsatz. Benötigt würde die ganze Bandbreite militärischer Fähigkeiten - auch Kampftruppen.
Die Sicherheitszone könne in Sektoren eingeteilt werden, von denen Deutschland einen übernehmen könne. So ähnlich war es lange Zeit in Afghanistan - wo allerdings eine NATO-Truppe im Einsatz ist.
NATO begrüßt Vorschlag
Die Idee einer Sicherheitszone stößt auf Zustimmung in der NATO. Generalsekretär Jens Stoltenberg begrüßte den Vorschlag in Brüssel. Eine solche politische Lösung müsse aber alle beteiligten Parteien umfassen, sagte er. Auch die US-Botschafterin bei der NATO äußerte sich positiv. Dabei sollten aber die Europäer die Initiative übernehmen, denn eine direkte Beteiligung der USA sei unwahrscheinlich.
Kritik von SPD
Der Koalitionspartner SPD hatte den Vorstoß zuvor massiv kritisiert. Denn die Ministerin informierte erst kurz zuvor Außenminister Heiko Maas via SMS über ihr Vorhaben - ohne ins Details zu gehen. "Von SMS-Diplomatie halte ich wenig. Daraus wird schnell eine SOS-Diplomatie", sagte Maas dazu.
Kramp-Karrenbauers Alleingang lasse Deutschland nach außen in keinem guten Licht dastehen. "Das hätte man anders machen müssen", sagte Maas in der Sendung "Frühstart". International werde erwartet, "dass wir verlässlich sind, dass die Bundesregierung als Ganzes arbeitet und solche Vorschläge macht".
Frankreich zeigt sich irritiert über Vorschlag
Auch der wichtigste Verbündete in Europa, Frankreich, reagierte skeptisch. Der Vorschlag sei zwar sicherlich "gut gemeint", aber nicht mit den Partnern abgestimmt und passe nicht zu den "Dynamiken" vor Ort, hieß es in Paris. Außerdem werde den anderen "der schwierige Teil" überlassen. Kramp-Karrenbauers Vorschlag sei vermutlich innenpolitisch motiviert.