Bilanz für 2021 2738 antisemitische Vorfälle erfasst
Beschimpfungen, Bedrohungen und auch extreme Gewalt: Im Jahr 2021 wurden laut dem Experten 2738 antisemitische Vorfälle in Deutschland erfasst. Eine Rolle spielten dabei auch die Corona-Proteste.
Der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS) hat im vergangenen Jahr einen weiteren Anstieg antisemitischer Vorfälle registriert. In seinem Jahresbericht für 2021 listet der Verband 2738 erfasste Vorfälle auf, das sind im Schnitt mehr als sieben pro Tag. Die Experten rechnen außerdem mit einer hohen Dunkelziffer.
Gegenüber dem Vorjahr (1957 Vorfälle) bedeutet das einen Anstieg um 40 Prozent. Dieser ist laut RIAS aber zum Teil auf eine veränderte Datengrundlage zurückzuführen. So nahmen 2021 unter anderem drei neue Meldestellen ihre Arbeit auf. "Es ist davon auszugehen, dass aufgrund der Arbeit dieser Meldestellen mehr Vorfälle aus den jeweiligen Regionen bekannt wurden", heißt es.
Dem Bericht zufolge prägten das Gesamtbild vor allem die Proteste gegen staatliche Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Diese Proteste seien besonders für Anhänger des verschwörungsideologischen Spektrums "vielfach ein Anlass für antisemitische Äußerungen oder Handlungen" gewesen. Hinzu sei der Nahostkonflikt von Mai 2021 gekommen, der auch zu judenfeindlichen Beleidigungen oder Bedrohungen sowie Angriffen geführt habe. Auch rund um Gedenktage sei erneut eine Vielzahl an Vorfällen registriert worden.
Sechs Fälle extremer Gewalt
Erfasst wurden unter anderem sechs Fälle extremer Gewalt (2020: ein Fall). Dazu zählt RIAS zum Beispiel den Angriff auf einen jüdischen Teilnehmer einer Mahnwache für Israel in Hamburg und einen Schuss auf ein jüdisches Gemeindehaus in Berlin. Zudem seien 63 Angriffe verzeichnet worden (2020: 39 Fälle). Abseits davon würden Juden in Deutschland "in ganz alltäglichen Situationen mit verletzenden antisemitischen Bemerkungen konfrontiert".
Am häufigsten erfassten die Meldestellen laut Bericht verletzendes Verhalten mit 2182 Vorfällen. Darüber hinaus gab es demnach 101 Bedrohungen, 204 gezielte Sachbeschädigungen und 182 Massenzuschriften. Von den betroffenen Institutionen seien es am häufigsten jüdische und israelische (521 Fälle) gewesen. Dieses Bild ergebe sich auch bei den betroffenen Einzelpersonen mit 518 Fällen. Allerdings seien auch Nichtjuden und nichtjüdische Einrichtungen zur Zielscheibe geworden. Die häufigsten Tatorte waren dem Bericht zufolge erneut das Internet und die Straße.
Etwa die Hälfte aller erfassten Vorfälle - 54 Prozent - ließen sich laut RIAS keiner klaren Weltanschauung zuordnen. Wo dies möglich war, waren Rechtsextremisten mit 17 Prozent die größte Gruppe. Insgesamt wurden 964 Täterinnen und Täter registriert.
Antisemitismusbeauftragter: Klarer Handlungsauftrag
Das Netzwerk RIAS baut seit 2018 Meldestellen für antijüdische Zwischenfälle auf. Betroffene können sich inzwischen an acht solcher Meldestellen wenden. Anders als in der Kriminalstatistik werden so auch nicht strafbare antisemitische Vorfälle erfasst. Im Mai hatte das Bundeskriminalamt einen starken Anstieg antisemitischer Straftaten für 2021 um 29 Prozent auf den Höchststand von 3027 Delikten gemeldet.
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, nannte den Bericht einen klaren Handlungsauftrag unter anderem an den Bundestag, damit das Demokratiefördergesetz möglichst rasch verabschiedet wird. Das sei nötig, damit zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich etwa gegen Antisemitismus einsetzen, auf Dauer eine Perspektive haben, sagte er.