Wahl im Bundestag Ataman ist Antidiskriminierungsbeauftragte
Ferda Ataman ist zur Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung gewählt worden. Sie erreichte im Bundestag etwas mehr als die notwendige sogenannte Kanzlermehrheit von 369 Stimmen. Die Personalie war zuvor kontrovers diskutiert worden.
Die Publizistin Ferda Ataman ist neue Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung. 376 Abgeordnete im Bundestag stimmten für die 42-Jährige, 278 gegen sie. Es gab 14 Enthaltungen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz schreibt für die Wahl zur Besetzung der "Unabhängigen Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung" die Kanzlermehrheit vor. Dabei handelt es sich um die Mehrheit nicht nur der anwesenden, sondern aller 736 Bundestagsabgeordneten.
Scharfe Kritik an der Personalie
Auf Vorschlag des Bundesfamilienministeriums hatte das Bundeskabinett Ataman im Juni für den Posten nominiert. Union, AfD und auch einzelne Vertreter der Regierungspartei FDP hatten die Personalie scharf kritisiert. Sie sprechen Ataman die Eignung für das Amt ab, bezeichneten sie unter anderem als "linke Aktivistin" und werfen ihr vor, "Clan-Kriminalität" und Islamismus zu verharmlosen.
"Wir brauchen Brückenbauer statt Spalter", erklärten Silvia Breher und Katja Leikert aus der Unionsfraktion. Die Beauftragte müsse sich für eine Integration Andersdenkender und gesellschaftlichen Zusammenhalt einsetzen. "Dass nun die Ampel-Regierung mit Frau Ataman jemanden vorgeschlagen hat, der in der Vergangenheit mehr durch spalterische Polemik als durch diese benötigten Eigenschaften aufgefallen ist, finden wir sehr schade", hieß es in einer Erklärung.
"Frau Ataman spaltet statt zu einen", kritisierte auch Fraktionsvize Dorothee Bär. Bei den Vorbehalten gegen Ataman geht es unter anderem um Äußerungen, die als abfällig gegenüber Menschen ohne Migrationshintergrund empfunden wurden. Diese hatte sie etwa als "Kartoffeln" bezeichnet - eine Anspielung darauf, dass bei Menschen mit Migrationshintergrund häufig von "Wurzeln" in anderen Ländern gesprochen wird.
Die FDP-Politikerin Linda Teuteberg hatte vor der Wahl angekündigt, sie könne der Personalie im Bundestag nicht zustimmen. Die Liberale kritisierte unter anderem, dass Ataman eine Reihe von Tweets gelöscht haben soll, die sie möglicherweise in Bedrängnis gebracht hätten. Und auch unter Migranten ist Ataman umstritten.
Politiker von SPD und Grünen sprachen von haltlosen Behauptungen und einer Kampagne gegen die Publizistin gesprochen. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) sagte: "Ich bin fest davon überzeugt, dass das eine sehr, sehr gute Wahl ist." Ataman sei bekannt als engagierte Person für eine inklusive und demokratische Gesellschaft.
"Mit Arbeit überzeugen"
Ataman sagte nach ihre Wahl: "Ich danke für das Vertrauen und freue mich sehr auf die neue Aufgabe". Sie kündigte an, sich für alle Menschen im Land einzusetzen, die Diskriminierung erfahren. "Diejenigen, die mir ihr Vertrauen noch nicht schenken konnten, möchte ich gerne mit meiner Arbeit überzeugen", sagte sie mit Blick auf die Abstimmung im Bundestag.
"Ich sehe es als meine Aufgabe, Menschen, die Diskriminierung erfahren zu unterstützen, durch Beratung, Forschung und Öffentlichkeitsarbeit mit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes", erklärte die 42-Jährige. Als ein Ziel nannte sie ein bundesweites Förderprogramm zum Aufbau einer flächendeckenden Beratung.
In einem Interview hatte sie einmal gesagt, dass sie eine Integrationspolitik für alle Menschen unabhängig von ihrer Herkunft anstrebe. Gebraucht werde "ein neues Verständnis von Zugehörigkeit, das nichts mit Vorfahren, Religion und Aussehen zu tun hat", sagte sie und fügte hinzu: "Eigentlich ganz einfach."
Die 1979 in Stuttgart geborene und in Nürnberg aufgewachsene Ataman ist Journalistin, Autorin und Diversitäts-Expertin. Sie studierte Politikwissenschaften mit dem Schwerpunkt "Moderner vorderer Orient", schon an der Universität konzentrierte sie sich auf die Themen Migration und Integration.
Ihr erster Job nach dem Studium: Sie arbeitete für den CDU-Politiker Armin Laschet, der 2005 Integrationsminister in Nordrhein-Westfalen wurde - und eine Redenschreiberin mit türkischem Hintergrund suchte. 2007 machte Ataman eine Ausbildung an der Berliner Journalistenschule und arbeitete danach in verschiedenen Zeitungsredaktionen. Von 2010 bis 2012 leitete sie das Referat Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.
Debatte über Zugehörigkeit nach Buchpublikation
2009 gründete sie das Netzwerk Neue deutsche Medienmacher*innen mit, das sich für mehr Vielfalt in den Medien einsetzt. Von 2013 bis 2016 leitete die 43-Jährige, deren Eltern aus der Türkei nach Deutschland kamen, den Mediendienst Integration, eine wissenschaftliche Plattform für Journalisten zu den Themen Migration, Integration und Asyl. Dem von dem damaligen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) eingeführten Heimatministerium bescheinigte Ataman, das sei "vor allem Symbolpolitik für potenziell rechte Wähler".
Der CSU-Politiker boykottierte dann im Juni 2018 den Integrationsgipfel im Kanzleramt, weil er sich von Ataman mit der "Blut und Boden"-Ideologie der Nazis in Verbindung gebracht sah. Mit ihrem 2019 erschienenen Buch "Hört auf zu fragen. Ich bin von hier" löste Ataman eine Debatte über Zugehörigkeit in Deutschland aus. Wenig später sorgte sie mit ihrer "Spiegel"-Kolumne "Heimatkunde" für Aufruhr, in der es um die Frage ging, wie Deutsche ohne Migrationshintergrund genannt werden könnten.