Debatte um EU-Atomwaffen Bundesregierung setzt auf NATO-Garantie
Die Bundesregierung verlässt sich weiter auf die Beistandsgarantie der NATO. Gespräche über mögliche EU-Atomwaffen brauche es nicht. Auch NATO-Chef Stoltenberg wendet sich gegen ein zusätzliches System der Nuklearabschreckung in Europa.
In der Debatte um Atomwaffen baut die Bundesregierung auf die schon bestehenden Abschreckungsfähigkeiten der NATO.
Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte, die französischen und die britischen Atomwaffen seien bereits jetzt gemeinsam mit den amerikanischen Atomwaffen Teil des Abschreckungspotenzials der NATO. Daher bedürfe es diesbezüglich keiner weiterer Gespräche.
Der nach einer Wiederwahl strebende ehemalige US-Präsident Donald Trump hatte am Wochenende gesagt, er würde NATO-Mitglieder, die zu wenig für Verteidigung ausgeben, nicht vor einem Angriff Russlands schützen. Das hatte eine Debatte über die Verlässlichkeit der USA als NATO-Partner und über mögliche EU-eigene Atomwaffen ausgelöst.
Barley bringt EU-eigene Atomwaffen ins Gespräch
Hebestreit sagte mit Blick auf Trump, er "würde aber auch davor warnen, Äußerungen von Männern und Frauen, die sich im Wahlkampf befinden und auch um Aufmerksamkeit buhlen, an dieser Stelle überzubewerten". Deutschland glaube an die Beistandsgarantie der NATO. Trumps Äußerungen hätten "keinen Einfluss auf akutes NATO-Handeln".
Dies enthebe aber nicht der Aufgabe, "immer wieder zu prüfen, ob wir richtig aufgestellt sind", sagte der Regierungssprecher weiter. Solche Entscheidungen würden aber diskutiert und dann mitgeteilt, "wenn sie reif sind".
Die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Katarina Barley, hatte zuvor EU-eigene Atomwaffen ins Gespräch gebracht. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) forderte seinerseits, die Nuklearstreitkräfte Frankreichs und Großbritanniens als "Element europäischer Sicherheit unter dem Dach der NATO weiterzudenken", und darüber Gespräche mit Paris und London zu führen.
Pistorius und Strack-Zimmermann bremsen
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) äußerte erneut Unverständnis über die Debatte und warnte vor einer Überreaktion auf Aussagen Trumps: "Ich halte nichts von aufgeregten Debatten zur Unzeit und erst recht nichts davon, jedes Zitat aus dem amerikanischen Wahlkampf von jemandem, der Kandidat werden will, auf die Goldwaage zu legen", sagte er am Rande von Terminen bei der NATO in Brüssel.
Die FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, warnte ebenfalls vor Überlegungen, einen europäischen Atomschirm aufzubauen. Das Thema gehöre nicht in der Öffentlichkeit diskutiert, sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag im Deutschlandfunk.
Nur die USA könnten einen über Jahrzehnte aufgebauten Schutzschirm anbieten, der etwa auch die baltischen NATO-Länder miteinbeziehe. "Ich persönlich bin der Meinung, wir müssen konventionell stärker werden, wir müssen deutlich mehr in den Cyberbereich machen", fügte sie hinzu.
Mehr Mittel für konventionelle Streitkräfte fordert auch der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt. Er hält mögliche EU-Atomwaffen für "eine große Geldverschwendung". Nukleare Schutzschirme seien "enorm teuer", sagte er dem Bayerischen Rundfunk.
Auch Stoltenberg gegen europäische Nuklearabschreckung
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sprach sich ebenfalls gegen ein zusätzliches System der atomaren Abschreckung in Europa aus. "Wir haben die nukleare Abschreckung der NATO und diese bietet den NATO-Verbündeten seit Jahrzehnten die ultimativen Sicherheitsgarantien", sagte der Norweger am Rande von Beratungen der Verteidigungsminister der Bündnismitglieder in Brüssel.
Es gelte dafür zu sorgen, dass das funktionierende System sicher und zuverlässig bleibe. Dessen Glaubwürdigkeit dürfe nicht ausgehöhlt werden. Kern der nuklearen Abschreckung sollen demnach die in Europa stationierten US-Atomwaffen bleiben, an deren Einsatz über das Konzept der "nuklearen Teilhabe" auch Länder wie Deutschland beteiligt werden könnten.
Weiterer Bestandteil der nuklearen Abschreckung sind nach Angaben von Stoltenberg die Atomwaffen, über die die europäischen NATO-Staaten Großbritannien und Frankreich verfügen.