Protest gegen Agrarpolitik Buhrufe für Ministerinnen
Bei ihrer Kundgebung vor dem Brandenburger Tor haben Bauern Umweltministerin Schulze ausgebuht. Diese warb in ihrer Rede für den Agrarpakt der Regierung. Genauso wie Agrarministerin Klöckner, der es nur wenig besser erging.
Dass sie keinen leichten Stand haben würde auf der großen Bauern-Demo am Brandenburger Tor, dürfte Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) im Vorfeld klar gewesen sein. Insofern war es keine Überraschung, dass der Zorn der Landwirte gerade sie traf. Als sie für klare Regeln zum Schutz von Grundwasser und Insekten warb, wurde sie gnadenlos ausgebuht.
Dabei, so Schulze, wolle doch auch sie, dass die Landwirte "Teil der Lösung" seien. Dafür sei man vor Ort und auf Bundesebene mit den Praktikern im Dialog. Sie setze darauf, dass auch die Bauern ein Interesse daran hätten, dass es in Zukunft noch sauberes Wasser und Bestäuber gebe. "Aber wir brauchen auch klare Regeln", betonte sie.
"Wir haben die Schnauze voll"
Während Schulze sprach, drehten viele Demonstranten ihr demonstrativ den Rücken zu. Bereits vor dem Auftritt hatte ein Redner ihren Rücktritt gefordert. "Wir stehen mit dem Rücken zur Wand und wir haben die Schnauze voll von dieser ideologischen Politik", rief jemand Schulze zu
Aus Ärger über die Agrarpolitik der Bundesregierung waren Tausende Bauern aus ganz Deutschland zu einer Demonstration nach Berlin gekommen - und verstopfen mit ihren Traktoren die Hauptstadt. Vor dem Brandenburger Tor sprachen Redner zum Auftakt von einer "unglaublichen Solidarität". Das zeige, dass die Landwirte etwas bewegen könnten, wenn sie zusammenhalten. Zu der Kundgebung wurden 10.000 Teilnehmer und rund 5000 Traktoren erwartet. Im Berliner Stadtgebiet wird wegen der An- und Abfahrt der Trecker mit größeren Verkehrsbehinderungen gerechnet.
Der Protest richtet sich unter anderem gegen geplante schärfere Vorgaben zum Insekten- und Umweltschutz sowie weitere Düngebeschränkungen zum Schutz des Grundwassers. Dadurch würden landwirtschaftliche Betriebe in ihrer Existenz gefährdet, kritisieren die Initiatoren.
Ärger vor allem über Agrarpaket
Zu der Kundgebung aufgerufen hat die Initiative "Land schafft Verbindung", in der sich Zehntausende Bauern zusammengefunden haben. Sie hatte bereits Mitte November bei der Umweltministerkonferenz in Hamburg Proteste organisiert.
Ärger löste vor allem das Agrarpaket aus, das das Kabinett im September auf den Weg gebracht hat. Es sieht unter anderem vor, den Einsatz von Unkraut- und Schädlingsgiften zum Wohle der Insekten stark einzuschränken. Für Verbraucher soll zudem ein neues Logo kommen, das Schweinefleisch aus besserer Tierhaltung kennzeichnet - die Teilnahme der Bauern ist allerdings freiwillig. Aus den wichtigen EU-Agrarzahlungen an die Höfe soll mehr Geld für Umweltmaßnahmen reserviert werden.
Klöckner: Anpassungen nötig
Bundesagrarministerin Julia Klöckner verteidigte die geplanten Reformen. Die Anpassungen seien nötig, um die Umwelt zu schützen, sagte die CDU-Politikerin im Interview mit tagesschau 24. Was die Bauern aber bräuchten, seien Planungssicherheit und mehr Respekt in der Bevölkerung.
In den nächsten Wochen gehe es darum, den Agrarpakt mit den Landwirten zusammen konkret auszufomulieren. "Wir haben das Ziel 'Mehr Insektenschutz' formuliert und haben deskriptiv beschrieben in unserem Agrarpaket, wo wir hin wollen. Die Maßnahmen selbst, die werden wir jetzt zusammen mit den Landwirten mit Rücksicht auf die Praxistauglichkeit besprechen, denn es gibt ja noch gar kein Gesetz.", sagte Klöckner.
Klöckner verwies darauf, dass die Bauern mehr Geld bekommen sollen, damit sie die Maßnahmen stemmen können. Sie rief zudem die Verbraucher auf, ihr Kaufverhalten zu überdenken. Es werde "in Medien, in der Öffentlichkeit und bei vielen Verbrauchern sehr, sehr einseitig über Landwirtschaft gesprochen", so Klöckner. Es sei so, "dass wir viel von den Landwirten erwarten, hohen Verbraucherschutz und Umwelt- und Tierschutz. Aber wir selbst kaufen an der Ladentheke nicht so ein."
Bauernpräsident für gemeinsame Lösungen
Die FDP forderte, das Agrarpaket auf Eis zu legen. Agrarexperte Gero Hocker warf Klöckner einen "Ausverkauf der Landwirtschaft in Deutschland" vor. Die Politik bei Tierwohl, Insektenschutz und Düngeverordnung führe zur Verlagerung der Produktion ins Ausland. "Tieren, Insekten und Grundwasser wird damit ein Bärendienst erwiesen." Karlheinz Busen (FDP) mahnte, auf das "Signal der Überforderung" zu hören. Um ein Höfesterben zu verhindern, müsse die Politik "beim Erlass neuer Gesetze einfach einmal für ein paar Jahre die Füße stillhalten".
Bauernpräsident Joachim Rukwied forderte eine grundlegende Überarbeitung der Pläne zum Insektenschutz. An Stelle von Verboten sollten Landwirte, Politik und Naturschutzorganisationen "gemeinsam Lösungen finden, wie sich Natur- und Artenschutz weiter verbessern lässt, unter Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe", sagte er der "Passauer Neuen Presse".
Zum Ende der Demo stellte sich Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) den Landwirten, anfangs bekam auch sie Unmut zu spüren. "Haben Sie schon mal eine Mistgabel in der Hand gehabt?", brüllte einer aus der Menge. Klöckner parierte auch andere Zwischenrufe: Die Bauern wollten keine pauschalen Urteile, das gelte aber auch umgekehrt. In der Sache verteidigte sie die geplanten Neuregelungen und bot mehr Beteiligung der Landwirte an. Beim Insektenschutz solle jede Maßnahme mit ihnen besprochen werden. Wo zu viel Nitrat im Grundwasser gemessen werde, "da müssen wir reagieren", sagte sie mit Blick auf neue Düngeregeln.
Klöckner beklagte auch Erwartungen an mehr Umwelt- und Tierschutz, während es in Supermärkten Billigpreise für Fleisch und Wurst gebe. Es sei unanständig, so etwas anzubieten - aber auch, so etwas zu kaufen. Insgesamt blieb sie mehr als eine Stunde.
Am Montag will sich Kanzlerin Angela Merkel mit 40 Landwirtschaftsorganisationen zu einem Agrargipfel treffen.